HENNING BERG QUARTETT Minnola ******

01. Ich seh´ die Welt gern durch meine Sonnenbrille, 02. Minnola, 03. Chaconne (Berg), 04. It´s you or no one (Styne), 05. Links und Rechts vom Bahnhof, 06. Reasons to play, 07. Summer Samba für die dunklen Herrn, 08. Bilder einer Umstellung (Berg), 09. Stablemates (Golson)

Henning Berg - tb, Hendrik Soll - p, Christian Ramond - b, Daniel Schröteler - dr

rec 2.+3.3.2003
JHM 127, LC-Nr 09632
Jazzhaus Musik

Henning Berg ist ein Musiker in mehreren Rollen, eine in Deutschland nicht untypische Erscheinung. In seinem Falle darf man von einer Tripel-Begabung sprechen: als Posaunist (der weiss, wem die Palme seiner Zunft gebührt; wer hier Instrumental-Artistik erwartet, braucht nicht weiterzulesen), als Jazz-Pädagoge (mit einer Klasse an der Musikhochschule
Köln, inklusive Professoren-Titel), und last not least als Software-Entwickler. Er hat vor Jahren ein Interaktions-Programm entworfen, *Tango*, das er gegenwärtig runderneuert.
Das Henning Berg Quartett stünde hier nicht, wäre es der deutschen Jazz-
Verzagtheit verfallen, wo nach der Themen-Exposition manche Combos schon so erschöpft in den Seilen hängen, dass ihnen für die Soli kaum noch Luft bleibt. Das Henning Berg Quartett klingt nach working band, oder, wie Kollege Bernd Hoffmann zu sagen beliebt,
*gut abgehangen*.
Das Henning Berg spielt einen aufgeklärten Modern Mainstream, das Rad wird hier nicht neu erfunden, aber wunderbar ins Laufen gebracht. Mit track 4, dem
Standard *It´s you or no one*, erreicht das Quartett ein Plateau, das es nicht mehr verlässt. Mit track 5 wachsen sich die kleinen rhythmischen Delikatessen in ein regelrechtes groove switching aus, fast das gesamte Vokabular des gebrochenen swing kommt zur Anwendung, die vielen kleinen Wechsel, die man nicht notieren kann, die mindestens zur Hälfte spontan aus Interaktion sich ergeben.
Und spätestens hier fällt auf, was für ein Segen Hendrik Soll in dieser Musik ist. Er spielt einen - sagen wir mal so - vom frühen Hancock adoptierten Stil (obergeil in *
Bilder einer Umstellung*), kein Skalengenudel, er kann begleiten, d.h. er wartet hier und verdichtet dort. Und man freut sich jedesmal, wenn das Solo ihm zufällt und die Bühne sich noch mal weitet.

©Michael Rüsenberg, 2004, Nachdruck verboten