JOHN SCOFIELD Plays the Music of Ray Charles. That´s What I say *****

1. Busted (Harlan Howard), 2. What I´d say (Ray Charles), 3. Sticks and Stones (Henry Glover, Titus Turner), 4. I don´t need no doctor (Nickolas Ashford, Valerie Simpson), 5. Cryin´ Time (Buck Owens), 6. I can´t stop loving you (Don Gibson), 7. Hit the Road Jack (Percy Mayfield), 8. Talkin´ bout you/I got a Woman (Ray Charles, Renald Richard), 9. Unchain my Heart, Part I (Teddy Powell, Robert Sharp jr), 10. Let´s go get stoned (Josephine Amstead, Nickolas Ashford, Valerie Simpson), 11. Night Time is the right Time (Lew Herman), 12. You don´t know me (Eddie Arnold, Cindy Walker), 13. Georgia on my Mind (Hoagy Carmichael, Stuart Gorell)

John Scofield - g, Larry Goldings - p, org, ep, vib; Willie Weeks - bg, Steve Jordan - dr, voc; Dr. John - voc, p; Warren Haynes, John Mayer - voc, g; Aaron Neville, Mavis Staples - voc, David Fathead Newman - ts, Manolo Badrena - perc, Alex Foster - ts, Earl Gardner - tp, Howard Johnson - bars, Keith O´Quinn - tb

rec 12/2004

Verve 0602498805343; LC-Nr 00383

Viele Wege führen nach Rom. Und ebenso viele führen zur Rezeption dieser CD.
Was banal klingt, ist gar nicht so gemeint: es macht einen entscheidenden Unterschied, ob man diese Produktion hört als - sagen wir Freund - von
Dr. John. Da bekommt man good value, man braucht sich nicht gross umzustellen, bloss ein paar schrägere Harmonien ertragen, here we go.
Wer an diese Aufnahme (um mal den krassen Aussenseiter zu skizzieren) herangeht aus der Kenntnis der vita des Produzenten
Steve Jordan (jawohl Steve Jordan!), wer also weiss, was Scofield & Jordan früher veranstaltet haben ("Who´s Who", 1979; "Electric Outlet", 1984), von Steve Jordan´s bahnbrechender Arbeit bei Steve Khan ganz zu schweigen - der wird hier enttäuscht, ja gelangweilt und wird nach dem dritten Shuffle hintereinander ins Regal greifen um nachzuschmecken, was diesen Mann einst berühmt gemacht hat: die Kraft & Herrlichkeit völlig unschulmässiger Betonungen, eines sehr speziellen Klanges der snare drum und Grooves, bis der Notartz kommt.
Davon ist nichts mehr übriggeblieben, in Zahlen:
0!
Nur wer Steve Jordan, den früheren, kennt, wird in Spuren-Elementen seine snare noch erkennen, seine hi-hat-Muster (in "Unchain my Heart"). Exklusiv nämlich gibt Steve Jordan den erfolgreichen
R&B-Produzenten (der er inzwischen ist), der obendrein halt auch ganz gut Schlagzeug spielt. Aber vom Start weg, wie er hier in "Busted" die 6/8 schlägt, spielt er in einer Art, für die in amerikanischen Studios Heerscharen bereitstehen, es in ähnlicher Qualität zu tun.
Viele Kritiker werden in diesen Tagen den Scofield-
Zitatenschatz plündern, den das Label grosszügig um diese Produktion herum feilbietet, und sie werden daraus ihr Urteil ableiten.
Ob diese Aufnahme wirklich einem Herzenswunsch entspricht, mag man mit zwei aus diesem Zitatehaufen bezeifeln. Einmal räumt Scofield ein, er sei "kein grosser Fan von thematischen Projekten"...um dann loszurappen, dass dies natürlich eine Ausnahme sei: Ray Charles, grosse Inspiration von Kindesbeinen an etc! Und dann der Satz, dass Verve-Präsident
Ron Goldstein Scofield dieses Tribut-Album vorgeschlagen habe.
Resultat ist Unterhaltung für die ganze Familie, eine Art "Wetten dass?" des Pop-Jazz, wogegen nur der Sauertöpfischste Einwände hegen kann. Das ist exzellent gemacht - aber ein neuer Gedanke findet sich darin nicht. Was Scofield wirklich von der Soul-Geschichte hält, das hat er x-fach zum Besten gegeben, viel nuancierter, ertragreicher als hier - man könnte eine Drei-Stunden-Sendung damit füllen.
Dazu braucht´s nicht die typischen Songs von Ray Charles und ein Personal, das menschenfischerisch einen grossen Teil des amerikanischen Musik-Kosmos repräsentiert, von
Mavis Staples (!) bis zu einem Gitarristen der Allman Brothers namens Warren Haynes (dessen Angebot, bei Scofield zu jammen, dieser vor Jahren einmal abgelehnt hat, weil er den langhaarigen Kerlemann nicht kannte).
Hier bekommt man nur den
Ton eines der prägenden Gitarristen der Jazzgeschichte; was den grössten Teil seiner Kunst ausmacht, bleibt gänzlich ausgeblendet.

erstellt: 09.06.05.

©Michael Rüsenberg, 2005, Nachdruck verboten