ROBIN HOLCOMB & WAYNE HORVITZ Solos *******

1. Reno (Holcomb), 2. Tired (Horvitz), 3. Armageddon (Wayne Shorter), 4. The Pleasures of Motion (Holcomb), 5. Joanna´s Solo (Horvitz), 6. Before the comet comes (Holcomb), 7. Stars fell on Alabama (Perkins, Parish), 8. Interpretation # 1 (Horvitz), 9. The Road to Zamora (Holcomb), 10. Buttermilk Hill (trad), 11. Up do (Holcomb), 2. Interpretation #2 (Horvitz), 13. Done for (Holcomb), 4. Crispin and Lisa´s Duet (Horvitz)

Robin Holcomb
- p (1, 4, 6, 9, 11, 13), Wayne Horvitz - p

rec 09.+10.06.2003

Edel-Contraire/Songlines SGL SA1550-2

Wie das Ehepaar Leni und Mike
Stern aus New York bedienen auch die Gatten Robin Holcomb und Wayne Horvitz aus Seattle das je gleiche Instrument. Während die New Yorker (Gitarristen) ihr künstlerisches Zusammenwirken aber auf Grussbotschaften auf den Alben des jeweils anderen beschränken, spielen die beiden Pianisten der Westküste seit ihrer New Yorker Zeit (Robin Holcomb "Larks they crazy", 1988) auch wirklich zusammen, gelegentlich zumindest.
Zu einem Piano-Duo freilich haben sie es noch nicht gebracht - auch jetzt nicht, ihrer ersten gemeinsamen Produktion: sie ist zutreffend "Solos" überschrieben.
Nicht ein jedes Stück ist neu, ein jeder Partner hat auch ältere Kompositionen neu interpretiert. In diesem Sinne ist der Start des Albums geradezu ein Glücksfall: "Reno", eines jener beiden Kleinode, welche Robin Holcomb 1987 für eine der besten Produktionen der damals aufblühenden down town Szene Manhattans geschrieben hat (
Wayne Horvitz, Butch Morris, Bobby Previte, "Nine below Zero"), eine Mischung aus vorsichtiger Dissonanz und anmutiger Melodik, geprägt von einem Gestus des Schlichten.
Der Ehemann spielt so viel anders nicht, auch er ist das Gegenteil eines Virtuosen. Was ihn von Holcomb unterscheidet, ist der nähere Jazzbezug, insbesondere in der Verwendung von
blue notes. Die Interpretation eines Standard würde man von ihr nicht erwarten, er hingegen schwelgt geradezu in den blue notes von Wayne Shorter´s "Armageddon", gewählt vor allem wegen seiner favorisierten Akkordfolge (ein Dur-Akkord auf Stufe VI eines Moll-Blues, wo eben moll erwartet wird), ein Akkord, den er in seiner ãeigenen Musik fast 30 Jahre lang überbeansprucht“ habe. Aha.
Die Reihenfolge der Stücke ist klug gewählt, denn wie um ihr Image des
Herb-Schönen abzuschütteln, folgt Robin Holcomb mit einer tonal freien Improvisation. Ihr über 13minütiges "Before the Comet Comes" wenig später, eine durchkomponierte Suite, ist - wie Horvitz in den liner notes meint - ãdie Zentralachese der CD“. Alles, was ihren Stil ausmacht, klingt hier an: das Chromatische, die Kirchenmusik, Semi-Barock, Americana. Man glaubt gerne, dass es sich hier um eine Theatermusik handelt.
track 11, "Up do", schreibt Horvitz, sei ein "fractured swing" - ein
gebrochener swing - aus Holcomb´s New Yorker Zeit. Für einen Moment ist man in der Tag geneigt, alle Unterschiede zwischen den beiden Pianisten aufgehoben zu hören, aber es ist halt nur ein "gebrochener", man würde lieber sagen ein "abstrakter" swing. Die Jazzanteile dieser Produktion bleiben doch zuverlässig in den Händen von Wayne Horvitz.
Was dieses Album auszeichnet, übrigens eine
SACD-Produktion, ist das behutsame, ja unendlich ruhige Entfalten von Varianten eines Ausdrucks, in gewissermasssen fortschreitenden Schattierungen, deren Reichtum man eingangs noch gar nicht ermessen kann.
Er entwickelt sich Stück für Stück. Solo für Solo.

erstellt: 13.05.05

©Michael Rüsenberg, 2004,
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