HARALD HAERTER CatScan II (*) - (*****)

1. CatScan (Stoffner), 2. Mister Mouster (Truffaz), 3. Cosmic (Haerter, Kopf), 4. Lulas (Molvaer, Lovano), 5. GBT (Oester), 6. Mute (Haerter), 7. Mushi Mushi (Dewey Redman)

Harald Haerter, Florian Stoffner - g, Michael Brecker - ts (2,3,5), Joe Lovano - ts (4,6,7), Chris Potter - ts (1). Erik Truffaz - tp (1,2,3), Nils Petter Molvaer - tp (4), Philipp Schaufelberger - g (2,3), Florian Goette - bg (1,4,6), Bänz Öster - b, Marcel Papaux - dr, Ernst Ströer - perc (2)

rec 2005-2007
Unit Records UTR 4167

Wer das Phänomen "Europäer kopieren Amerikaner" studieren will, der wird seit Jahren durch das Beispiel des Zürcher Gitarristen Harald Haerter bestens (oder von mir aus auch schlechtestens) bedient: er klebt im Duktus eines John Scofield wie weiland Max & Moritz im Teig.
Auf seiner Webseite konstruiert Haerter, mittlerweile auch schon 49 Jahre alt, den schönen Anachronismus, er gelte "in der internationalen Jazzszene als eine der grossen Hoffnungen aus der Alten Welt" Dazu zitiert er zwei US-Kritiker, die offenkundig auf ihren Ohren gesessen haben, als sie ihm einen "singulären" Ausdruck attestierten.
Diese "grosse Hoffnung aus der Alten Welt" traut sich selbst freilich so wenig, dass sie stets in prominenter, häufig auch in modischer Begleitung in Erscheinung tritt. Neben einem Michael Brecker, einem Joe Lovano auf der Bühne oder im Studio zu stehen, ist nun mal kaum noch zu toppen. Und für die modisch Orientierten bietet Haerter diesmal die beiden Trompeten-
Nuschler Truffaz und Molvaer auf.
So möchte man schon während der elend langen 14 Minuten des Eröffnungsstückes des öfteren weiterspringen oder die Löffel ganz hängen lassen: zunächst schickt Haerter seinen Compagnion Stoffner
frisellig los, tritt dann bewährt als Sco vom Züri See hinzu und gewährt schließlich breitesten Raum Erik Truffaz, der einmal mehr als "Miles Davis für Arme" in Erscheinung tritt. In "Mister Mouster" versucht er sich Monkig als Komponist, läßt sein Solo in einem Dub-Schwall absaufen - und wird 2 Minuten vor Schluß mit ein paar langgezogenen Tönen von Michael Brecker assistiert. Eine geradezu schmerzhaftes Beispiel von Dis-Proportionalität.
Was einen freilich wachhält, ist, der alten Erfahrung nach der Qualität Schweizer Rhythmusgruppen nachzugehen. In dieser Hinsicht läßt uns Haerter schon seit seinen Tagen beim
Intergalaktischen Mädchenballett nicht im Stich. Und in der Tat setzt sich in Oester & Papaux diese feine Tradition fort, sie begleiten außerordentlich feinnervig. Ihr großer Moment kommt in dem von Oester komponierten "GBT", einem fast swing. Nachdem Haerter sein Sco-gesottenes Solo abgeliefert hat, tritt bei 3:53 Michael Brecker in Erscheinung. Die Rhythmusgruppe schaltet mehrfach für wenige Takte ins halbe Tempo zurück, Brecker ist groß in Form, wie weiland bei Don Grolnick tritt er aus seinen berühmten Phrasen-Ketten heraus, bis zur Auflösung des Metrums - und Oester & Papaux bleiben immer schön am Ball.
"Mushi Mush" schließlich (man möchte diesen Titel
Edmund Stoiber empfehlen, der so seine Gattin zu bezeichnen pflegt) glänzt beinahe gänzlich ohne Haerter; das einzige Solo kommt von Joe Lovano in der Art eines Tributes an Dewey Redman - kein spezifisch herausragendes Stück, aber insofern von großer Jazz-Tugendhaftigkeit, als hier ein Charakterkopf einem anderen aus derselben Liga huldigt - eine Eigenschaft, die dem Projektleiter dieser ganzen Unternehmung nicht zu eigen ist.

erstellt: 15.08.07

©Michael Rüsenberg, 2007, Alle Rechte vorbehalten

PS (11.09.07)
Harald Haerter fühlt sich durch einige Formulierungen dieser Rezension persönlich getroffen.
JNE nimmt dies mit Respekt und Bedauern zur Kenntnis.
Jede Bewertung auf diesen Seiten gilt niemals der persönlichen Integrität des/der Beurteilten, ausschließlich dessen/deren musikalischer Performance.
Sollte dies im vorliegenden Fall nicht erkennbar sein, hat
JNE in dieser Hinsicht ihre Aufgabe verfehlt, unbeschadet des ästhetischen Urteils.
Es wird nicht dementiert - was auch nicht verlangt wurde.