PABLO HELD Forest of Oblivion *******

01. Two Questions, One Answer (Held), 02. Forest of Oblivion, 03. Hand Jive (Tony Williams), 04. Interlude (Held, Landfermann, Burgwinkel), 05. Phasen (Held), 06. Melody, 07. Vertigo, 08. Pajaro Triste (Mompou), 09. Ana Maria (Shorter), 10. Phase II (Held)

Pablo Held
- p, Robert Landfermann - b, Jonas Burgwinkel - dr

rec 03.08., 13.12.07

Pirouet PIT 3021; LC-Nr 12741

Auf der Kölner Bühne wird gerade die Deko ausgetauscht; nach Florian Weber braucht man Platz für das nächste neue Piano-Talent, Pablo Held. Er ist noch jünger, erst 21, aus Herdecke an die Musikhochschule Köln gekommen, um bei Hubert Nuss Jazzpiano zu studieren. Vorher hatte er dreimal "Jugend jazzt" in NRW gewonnen (1999, 2003 und 2005), beim ersten Mal im Alter von 12 Jahren.
Was man sofort hört: Held hat die bessere Rhythmusgruppe, die beste derzeit in Köln mit
Robert Landfermann und Jonas Burgwinkel. Sie ist so gut, dass sie in Köln und um Köln herum derzeit rund um die Uhr beschäftigt zu sein scheint.
Das Held-Trio ist eine wunderbare interaktive Formation, wie schon der opener mit seinem Changieren über einem 6/8 Takt zeigt. Bei 4:07 schließt "Two Questions, One Answer" scheinbar - es folgt ein 4-taktiger
vamp, der es in sich hat, er ist aufgeteilt in 4/4, 5/4, 4/4 und 3/4. Eben aus diesen Abweichungen zum erwarteten 4/4 Takt zieht er seine Spannung, den melodisch ist er eher simpel gestrickt - er könnte von Radiohead entlehnt sein. (In der Tat befindet sich "Kid A" unter den Alben, die Pablo Held auf eine lange Reise mitnehmen würde.)
Von dichterer Interaktion gezeichnet sind die beiden "Phasen"-Kompositionen; drei Stimmen, die rhythmisch-melodisch und dynamisch immer wieder neue Schnittmengen suchen - und finden. Das hat Klasse, insbesondere mit den eingeschobenen swing-Passagen in "Phase II". Dieses Stück könnte endlos laufen, weil die Musiker dermaßen mit offen Phrasen arbeiten, dass ein jeder Ton einen neuen Raum eröffnen kann.
Brad Mehldau gehört nach Helds "My Space"-Liste nicht zu seinen Favoriten, Mehldau-Fans werden gleichwohl das Titelstück, eine luftige Ballade, in diesem Sinne hören. "Interlude", eine
rubato gespielte Ballade, mit ihrem harmonischen Flirren, könnte vielleicht dem Einfluß seines Pianolehrers Hubert Nuss zuzuschreiben sein (eine reine Vermutung freilich).
Unter den drei Fremkompositionen befinden sich zwei aus dem Umkreis des Miles Davis Quintetts (wenn auch nicht aus dessen Zeit).
"Hand Jive" von
Tony Williams legt das Trio nicht im Sinne jener "pulse composition" aus, wie Bob Belden das Original des Miles Davis Quintetts bezeichnet (aus "Nefertiti", 1967), sondern scheint mehr am melodischen Duktus interessiert, mit nur wenigen Tony´ismen vom Schlagzeug.
Vielleicht findet
Bill Stewart Gefallen an dieser Version von Wayne Shorters "Ana Maria" (Im Original aus "Native Dancer", 1975): es gibt Moment, wo Jonas Burgwinkel die snare drum "rührt" wie Bill Stewart.
Freilich, das sind Momente, keine sich durchziehende Attitüden.
Ähnlich verhält es sich mit den Verwandtschaften zu
Herbie Hancock in "Phasen" und "Vertigo", sie sind subtil, angedeutet, möglicherweise gar nicht intendiert.
"Forest of Oblivion" ist ein beachtiches Debütalbum, man würde sich als nächstes eine Live-Produktion von diesem Trio wünschen, in der Hoffnung, dass es dabei seine expressiven Momente noch deutlicher ausleben kann.

erstellt: 13.09.08

©Michael Rüsenberg, 2008, Alle Rechte vorbehalten