PABLO HELD Glow *******

01. Is this the End (Pablo Held), 02. Lp, 03. Outer Rim, 04. Glow, 05. Rebirth of a Song, 06. Run, 07. Tongedicht, 08. Secret, 09.This is what I am asking for (Hempel), 10. Wiegenlied (Peter Held)

Pablo Held - p, celesta, Robert Landfermann - b, Jonas Burgwinkel - dr, Menzel Mutzke - tp, Sebastian Gille - ss, ts, Niels Klein - ss, ts, bcl, Kathrin Pechlof - harp, Hubert Nuss - celesta, harmonium, Henning Sieverts - b, vc, Dietmar Fuhr - b

rec. 01.-03.03.10
Pirouet PIT 3053; LC-Nr 12741

Der gefeierte Piano-Jungstar, er macht sich rar auf diedem Album. Das kann so recht nicht überraschen. Das Format, das ihm Stürme der Anerkennung beschert hat, sein Piano-Trio, lässt sich kaum noch steigern.
Zwei Alben liegen vor. Ein drittes, vielleicht ein Mitschnitt seiner begeisterungswürdigen Konzerte, wo Komposition und Interpretation (auch ein gelegentliches Miles-Davis-Zitat) wundersam zu einem Stunden-Vortrag zusammenfließen, hätte man als krönenden Abschluß einer Trilogie sich denken können.
Pablo Held wollte es anders. Er ist jung, 24, er ist ehrgeizig, er hat auch andere Klangfarben im Kopf. „Als ich hörte, dass eine Jazz-Harfenistin nach Köln ziehen sollte, hatte ich mich schon gefreut, weil ich noch nichtd so viel über dieses besondere Instrument wusste, aber den Klang liebte.“ Und schon ist Kathrin Pechloff dabei.
Auch für seinen Klavierlehrer an der Musikhochschule Köln, Hubert Nuss, fand er einen Platz - an Celesta und Harmonium, nicht am Piano (obwohl auch das Hörgewinn verspräche: der „impressionistische“ Nuss gegen den eher „afro-amerikanischen“ Held). Nicht zuletzt spielt der „Messiaen-Experte“ Nuss das Harmonium-Solo im A-Teil von „Outer Rim“, das auf einer Skala von Olivier Messiaen basiert.
Aus Hamburg ist Sebastian Gille dazugestoßen, seit einem gemeinsamen Konzert 2009 mit Held „unzertrennbar“ verbunden.
cover-held-glowMit „Glow“ tritt freilich nicht in erster Linie der Komponist und Arrangeur Pablo Held hervor, der hält sich eher zurück, für die größere Besetzung hat er nämlich „größtenteils nur kleine Skizzen geschrieben“, um den Musikern „die größtmögliche Freiheit (zu) geben, damit anzustellen, was sie möchten.“
Das ist, zumindest sprachlich, der ewige Grundakkord der Jazz-Ästhetik. Mit ihm läßt sich, wiederum sprachlich, alles - und nichts erklären.
Natürlich bewertet der Komponist das Produkt seiner Bemühungen anders als unsereins („Das Resultat dieser Produktion bestärkt mich, in diese Richtung weiter zu forschen (...) bei kollektivem Umgang mit nur wenigen Ausgangsskizzen (können) stimmige Kompositionsgebilde entstehen, die in der Form von einem einzelnen Komponisten nur schwerlich erdacht werden können.“)
Uns jedenfalls will scheinen, dass die kollektive Weisheit dort zu weniger als der Summe ihrer Teile sich fügt, wo alle an Bord sind und zu einem 10-minütigen an- und abschwellenden Orgelpunkt aus 6 Tönen über E sich vereinen, in „Glow“. Das Titelstück, im Presseheft als „Herzstück“ der Produktion hervorgehoben, soll „glühen“, es sollen „Explosionen“ sich ereignen, als ob „man auf eine Glut Petrolium gießt“.
Einmal abgesehen davon, dass dieser Stellenausschreibung nur das Peter Brötzmann Chicago Tentet genügen könnte, ist diese Combo schon mit Bordmitteln, wozu auch Harfe und Celesta gehören, dazu gar nicht in der Lage. Nichts glüht, nichts braust, nichts explodiert, der Apparat bringt allenfalls ein stumpfes, fahles Leuchten zustande.
Gleich im Anschluß, „Rebirth of a Song“ - und nun kommt die positive Nachricht - kann man den Strukturen sehr wohl im Lichte der Erklärungen des Komponisten folgen. Da ist kaum mehr als der Hauch eines Themas, ein wenig Hancock Ende der 60er Jahre, zwei Tempi: am Anfang schnell, mit drum´n´bass-artigen Figuren von Jonas Burgwinkel, zur Mitte hin halbes Tempo bei offenem Rock-Beat, die große Rhythmusgruppe pulsiert durchgängig, und zwischendrin, wie auf einer Lichtung, beharken sich Piano, Celesta und Harfe.
„Run“, der Titel trifft zu: das hohe Tempo bleibt, der energische Groove auch, das Thema? - nicht mehr als ein vamp, über den wiederum der Pianist Held brilliert. Mit einem kurzen Solostück, „Tongedicht“, schließt er einen absolut spritzigen Parcurs ab.
Es sinkt das Tempo, aber nicht die Aufmerksamkeit für die Ballade „Secret“, ein Cello-Feature, zunächst über einem Jazz-Walzer, und dann im B-Teil jeweils drei Töne in 3 Takten - ein vamp, wie ihn Wayne Shorter nicht besser zum Leuchten brächte!
Die drei Bässe leiten leiten die erste von zwei Fremdkompositionen ein:  „This is what I´m asking for“ von der Hamburger Gitarristin Sandra Hempel. Die versetzten Bläser-Stimmen über frei-metrischem Gegrummel - hier ist plötzlich alles gelöst, was man in „Glow“ vermisste, ja, hier glüht es, und es hört noch lange nicht auf, als der Puls sich verdichtet und ein Tenorsaxophon sich aufschwingt (vermutlich das von Niels Klein).
Wir lernen: die Combo kann sehr wohl kollektiv, aber sie kann´s nicht ohne rhythmisches Fundament (und mit Jonas Burgwinkel verfügt sie über den richtigen Mann für viele Formen).
Das Album schließt mit einer netten Geste an den Vater des Komponisten, den Hagener Klavierlehrer Peter Held, es schließt unter starker Betonung seiner kammermusikalischen Mittel, im 3/4 Takt, mit einer Coda von Lehrer und Schüler, von Hubert Nuss und Pablo Held.
PS: Das Design von Pirouet Records ist seit langem schon zu loben, diesmal, in der Gestaltung von Konstantin Kern, München, hat es sich selbst überflügelt.

erstellt: 10.02.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten