GWILYM SIMCOCK, YURI GOLOUBEV Reverie at Schloss Elmau *****

01. Pastoral (Simcock), 02. Lost Romance (Goloubev), 03. Shades of Pleasure (Simcock), 04. Antics, 05. A Joy Forever, 06. Non-Schumann Lied (Goloubev), 07. Flow (Simcock), 08. Vain Song (Goloubev), 09. Reverie (Bottesini)

Gwilym Simcock - p, Yuri Goloubev - b

rec. 13.03.2013
ACT 9624-2, LC 07644

Was erlauben Simcock?
Den wohl talentiertesten unter den jüngeren britischen Jazzpianisten hebt von allen anderen ab, dass er auch auf philharmonischem Parkett glänzend sich bewegt.
Nicht dass von ihm die Aufführung eines Klavierkonzertes zu erwarten wäre. Aber wer die Auftragsarbeiten auf seiner Webseite durchforstet, findet weitaus mehr Kompositionen unter Einschluss irjenswie „klassischer“ Klangkörper als solche für Jazz.
Na klar, das ist lukrativ. Und man darf dabei voraussetzen, die besten Instrumente unter die Finger zu kriegen, einen Klimperkasten aus einem schlecht belüfteten Jazzclub können sich die Auftraggeber gar nicht erlauben.
Insoweit darf man sich kaum wundern, dass die denkwürdigen Jazz-Leistungen des 33jährigen schon ein paar Jahre zurückliegen. Und wer ihn mit Tim Garland oder seinem eigenen Trio gehört hat, der weiß, was er in diesem Genre zu sagen hat.
cover-simcock-reverieErneut kehrt er nach Schloß Elmau zurück, wo er schon 2010 „Good Days“ erlebt hatte. Dort haben vor ihm u.a. Yehudi Menuhin, Alfred Brendel, Gideon Kremer gastiert. Dieser Ort im oberbayrischen Wettersteingebirge löst unter Jazzmusiker einen Konformismus sondergleichen aus, „recorded at Schloss Elmau“ ist eine Lizenz zu neo-romantischem Tun.
Yuri Goloubev bringt den genius loci in den liner notes zu seiner Komposition „Lost Romance“ auf den Begriff:
„Der Romantizismus des 19. Jahrhunderts verbindet sich (hier) mit Jazz-Harmonien zu einer sehr spezifischen Atmosphäre, die auch eine leichte, zeitgenössische Wendung in moderne klassische Melodiesprachen nimmt“.
Stimmt. Ist gut gemacht. Klingt kristallin klar. Sauber intoniert, fehlerfrei phrasiert.
Und von einer Leidenschaft, die nicht weiter trägt als ein Kerzenleuchter im Kaminzimmer. Jazz herzliebst. Jazz für Leute, die sich beim Hören ungern den auditorischen Cortex verschmutzen.
Dankbar heisst man zur Abwechslung den gospeligen Groove in „Antics“ willkommen, der sich aus einer Aktion im Sommer 2012 speist, wo Simcock 50 ausrangierte Klaviere in London bedient, begleitet von zwei Tänzern.
50 ausrangierte Klaviere, von denen man nur die rhythmischen Impulse den philharmonischen Filter hat passieren lassen. Nicht auszudenken, wie die klangfarblich das geneigte Ohr beleidigt haben.
Das nächste rubato bitte!

erstellt: 25.01.14
©Michael Rüsenberg, 2014. Alle Rechte vorbehalten

PS(12.02.14) Das passt ins Bild: Gwilym Simcock hat das fabelhafte Lighthouse Trio verlassen (seinen Platz nimmt Jason Rebello ein) und ein paar Gigs mit Nigel Kennedy gespielt!