SHANNON BARNETT Hype ******

01. Hype (Barnett), 02.Lembing, 03. People don´t listen to Music anymore, 04. Red-Belied Stickleback, 05. Speaking in Tongues, 06. PG3, 07. Ok Compupid, 08. Chasing the Second, 09. The Spirit is willing, but the Flesh is weak



Shannon Barnett - tb, Stefan Karl Schmid - ts, David Helm - b, Fabian Arends - dr


rec. 14./15.11.2016

Challenge Rec. DMCHR 71191

Mitglieder der WDR Big Band, mithin Festangestellte des Jazz, haben sich schon immer in der „freien“ Kölner Szene umgetan, also mit freiberuflichen Kollegen gespielt.
Der aktivsten einer war und ist der Heiner. Heiner Wiberny, as, der auch als Pensionär häufig auf Kölner Podien zu finden ist.
Shannon Barnett, tb, 1982 geboren in einer australischen Kleinstadt, zweite MusikerIN der Band, setzt diese Tradition fort.
Mit einem der jungen Rhythmusteams der Stadt - David Helm, b, und Fabian Arends, dr - sowie dem deutsch-isländischen Tenoristen Stefan Karl Schmid, eine Leuchte des Neo Cool Jazz in der Domstadt, auch auf jazzcity.de wohlbekannt.
cover barnettSchmid, soviel sei vorweggenommen, hat hier eine große Stunde, die unisono-Arbeit mit der Bandleaderin ist bestechend, sein trockenes Tenor mischt sich saugut mit der dunklen Posaune, die ersten 1:40 des Titelstückes trauen sich die beiden a capella zu, zu recht.
Selten fällt einem ein Album in die Hände, das soviele kleine Spezifika der Jazz-Ästhetik aufweist wie „Hype“.
Das Titelstück, neben einem vertrackten Rhthmus, gefällt durch forcierten Einsatz von stop times.
Der Nachfolger, „Lembing“, bietet eine Fundgrube an Techniken des groove switching, als da sind - neben dem klassischen walking bass - eine variable Tempobehandlung mittels accelerando und ritardando.
Track 3, rubato gespielt, endet mit einem Choral-ähnlichen Thema.
„Speaking in Tongues“ bewegt sich als Shuffle-Marsch; ja, eine Ballade gibt´s auch („PG3“), das seltsam nach Radiohead betitelte „Ok Compupid“ hat aber wenig davon, sondern gehorcht einem Latin-Rhythmus mit dr-solo gegen riff.
„Chasing the Second“, leicht als Reggae zu erkennen, ist der diesbezüglichen Seite des Art Ensemble Of Chicago gewidmet, nicht tight, sondern locker gespielt; wobei auffällt, dass Barnett zwar eine sehr muskulöse Posaune spielt, aber auf multiphonics, also Mehrstimmigkeit, verzichtet.
Der Abschluss, der das offenbar weltweite Motto vom Geist, der willig und vom Fleisch, das schwach sei, zum Titel hat, versprüht zunächst keinerlei Esprit. Nach einem hymnen-haften Intro der Bläser, fällt David Helm in ein verdöstes Solo, dem man kaum mehr folgen mag.
Erst als auch Fabian Arends sich „eingespielt“ hat und die beiden einen uptempo swing vorgeben, gewinnt das Stück an Attraktion - und Sinn. Die Bläser legen nun ihre langgezogene Hymne darüber, über den nervös zischelnden Rhythmusteppich.
Das eigentümlich disproportionale Finale eines Projektes mit ansonsten etlichem Raffinement.

erstellt: 26.10.17
©Michael Rüsenberg, 2017. Alle Rechte vorbehalten