DJANGO BATES´ BELOVÈD The Study of Touch *********

01. Sadness all the Way down (Bates), 02. Giorgiantics, 03. Little Petherick, 04. Senza Bitterness, 05. We are not lost, we are simply finding our Way, 06. This World (Ballamy), 07. The Study of Touch (Bates),  08. Passport (Charlie Parker),  09. Slippage Street (Bates), 10. Peonies as promised, 11. Happiness all the Way up



Django Bates - p, Petter Eldh - b, Peter Bruun - dr

rec. 06.2016

ECM 2534

Kinder, wie die Zeit vergeht!
Noch immer hat man die Begründung für die Namensgebung dieses Trios im Ohr (beloved = der/die Geliebte), nämlich worauf sie sich bezieht: auf Charlie Parker. Nebst kleinem „biopic“ des Anlasses, wie der junge Django auf einem Bahnsteig in Süd-London ein Parker-Stück pfeifft
Sie ist so nah, als hätte man sie gestern erst gehört - und doch geht dieses Trio demnächst in sein 10. Jahr!
Der Charlie Parker-Bezug, der schon auf dem Debütalbum nicht exklusiv war, ist auf dem Weg zu diesem, dem dritten Album, noch weiter geschmolzen: vom Bebop-„Erfinder“ wird auf „The Study of Touch“ nur noch ein Stück interpretiert.
Neben einem Stück des alten Freundes Iain Ballamy („This World“) werden 9 von 11 Stücken Django Bates zugeschrieben. Keines wird mehr - wie auf dem Debüt 2008 - als kollektives ausgegeben.
Das erstaunt, weil die Konzeption sich nicht geändert, sondern - wie später zu zeigen sein wird - sich noch verfeinert hat.
Das erstaunt insbesondere, wenn man aus den Begleitmaterialien zu dieser Produktion ein prägnantes Zitat von Django Bates heranzieht:

„Was Petter und Peter zu meiner Musik beitragen, ist die Weigerung, das zu spielen, was ich aufgeschrieben habe. Schmerzvoll für einen Komponisten die Erfahrung, dass dies die beste Methode ist und obendrein schwer zu erklären, warum sie auch noch funktioniert“. 

In der Tat, die Explosion des Rhythmischen im Jazz der Gegenwart, sie gewährt hier Einblick in eines ihrer Zentren. Was hier ryhthmisch abgeht, ist mit dem traditionellen Besteck der Groove-Ordnung, des Einteilens in binär (Rock, Funk), ternär (swing) oder Puls/frei-metrisch (FreeJazz) kaum noch zu sezieren.
Es handelt sich um eine offbeat-Orgie, weg von den Zählzeiten, weg von den Beats, hinein in die Zwischenräume und wieder heraus, mit wechselnden Betonungen.
cover bates studyJetzt also, nachdem sie zwei Alben für Djangos eigenes Label Lost Marble aufgenommen haben, sind sie bei ECM.
Und die Befürchtungen, die sich damit verbinden - zumal „The Study of Touch“ auch noch im Klang-Heiligtum des Labels, im Rainbow Studio zu Oslo, aufgenommen worden ist - sie laufen ins Leere.
Sicher, der Piano-Klang ist nicht mehr so prägnant, so perkussiv wie früher unter Djangos Regie. Das Super-Holz von Petter Eldh´s Bass steht nicht mehr so weit vorne.
Stattdessen überwiegt ein sehr ausgewogener Ensemble-Klang. Der Aufnahmepegel ist niedriger. Nichts von der Verhallung, die viele durchgängig in ECM-Produktionen meinen gehört zu haben, lässt sich auch nur ansatzweise erahnen.
Im Gegenteil; obwohl das Repertoire zu einem Drittel mit dem des Vorgängeralbums identisch ist („Confirmation“, 2011), hat das Trio sein Spielfeld noch erweitert: Django hat z.B. den Gospel für sich entdeckt.
Das erste Mal begegnet man entsprechenden Figuren in track 5, „We are not lost, we are simply finding our way“, ein Stück von Titel und Textur her geprägt von Bates´schem Humor.
Django hat das Stück mit der Norbotten Big Band 2013 in der Royal Albert Hall aufgeführt, es gehört zum Repertoire von „Confirmation“ - kommt aber da ohne blue notes aus.
Hier hört man nach 3 Minuten einen entsprechenden Einschub.
Und so geht es weiter: track 8, Charlie Parkers „Passport“ wird nach dem für diese Band typischen groove switching (inkl. accelerando und ritardando) schon sehr früh, im Solo von Petter Eldh, Gospel-Akkorde unterlegt.
Wem auch immer die „Entflechtung“ von Komplexität durch dieses Stilmittel zu verdanken ist - es kommt einer Errungenschaft für dieses Trio gleich.
jazzcity.de ist nun gewiss kein Freund des Produzenten Manfred Eicher, aber vermutlich ist die erfreuliche Ausweitung des Trio-Konzeptes seinem Einfluss zu verdanken.
Auf „Slippage Street“ trifft dies ganz gewiss zu!
„I wrote it for him to listen to“, schreibt Django Bates über dieses Stück, das erst für diese Sitzung komponierte Werk. Es markiert, vielleicht mehr noch als das Titelstück, den Höhepunkt des ganzen Albums. So gebrochen er auch sein mag, das Stück ruht auf einem durchgehenden Groove, sehr gospelig, ja stellenweise sogar in Form eine regelrechten vamp!
Das Trio groovt wie nie zuvor; und man kann, Djangos Text im Ohr, es durchaus so hören, als spiele er hier „über Bande“, als schöbe er in verfremdeter Form Eicher ein paar patterns seines Dukatenesels, Keith Jarrett, zu.
Ein tolles Stück, ein herrlicher Spaß.

erstellt: 26.12.17
©Michael Rüsenberg, 2017. Alle Rechte vorbehalten