JEFF BALLARD Fairgrounds *****

01. Grounds Entrance (Ballard), 02. YEAH PETE!, 03. The Man´s gone, 04. I saw a Movie, 05. Hit the Dirt (Kevin Hays), 06. Twelv8 (Ballard), 07. Marche Exotique,  08. Grungy Brew,  09. Miro (Reid Anderson), 10. Soft Rock (Ballard), 11. Cherokee Rose (Chris Cheek)

Jeff Ballard - dr, perc, Lionel Loueke - g, voc, Kevin Hays - p, keyb, voc, Reid Anderson - electronics, Peter Rende - p, ep, Chris Cheek - ts (5,11), Mark Turner - ts (6,8)

rec. 01.-20.03.2015

Edition Records EDN1121

Jeff Ballard, 55, ist der Schlagzeuger der Prominenz.
Sein track record beginnt 1996 bei Kurt Rosenwinkel, zieht sich ab 1999 über mehrere Alben mit Chick Corea, zwischenzeitlich wiederum mit Rosenwinkel bis zu mehrfachen Einsätzen bei Brad Mehldau; zuletzt „Seymour reads the Constitution!“ (2017).
Ob Ballard selbst zur Prominenz zählt, wie die meisten seiner Bandleader, darf man bezweifeln. Prominent im Sinne einer eigenen Handschrift ist er gewiß nicht. Er handelt als guter Begleiter; es gibt nichts, keine signiture, an der man ihn sofort erkennen könnte.
„Fairgrounds“ erinnert formal an das 2-keyboards-Album seines - prominenteren - Kollegen Bill Stewart („Incandescence“, 2006), zumal dort wie hier Kevin Hays mitwirkt.
Zusätzlich sieht Ballard noch einen dritten Klangfarbengeber vor, nämlich Reid Anderson - electronics. Ja, richtig, das ist tatsächlich derjenige, den man bei The Bad Plus als Kontrabassisten kennengelernt hat.
(Eine Baßfunktion fehlt hier völlig, manchmal zum Nachteil der Produktion; auch Lionel Loueke, der sich erstaunlich zurückhält, füllt diese Lücke nicht.)
cover ballard fairgrounds„Grounds Entrance“ ist genau das, was der Titel verspricht: ein zauberhaftes Entree für den Jahrmarkt (oder wie auch immer man „Fairgrounds“ übersetzen mag), ein wundervolles, leichtes Klingeln meist höher-frequenter Klangfarben, rhythmisch nur leicht akzentuiert.
„YEAH PETE!“, ein Feature für das E-Piano von Pete Rende, schließt sich an und bereitet ein rhytmisch festeres Terrain, das mit Bauteilen von Miles Davis´ „Bitches Brew“ gepflastert ist. Die Bausteine sind blues-gefärbt, insbesondere durch die dezente Gitarre von Lionel Loueke.
„The Man´s gone“ packt noch fester zu, ein Shuffle mit Vokalisierungen wiederum von Loueke. „I saw a Movie“, ein weiteres keyboard-Feature mit leichten E-Drums-Einwürfen folgt.
Es beschließt einen stilistischen Bogen, der elektro-akustisch nicht eben Neuland betritt, aber auch nicht in Klischees versinkt.
Mit track 5 wechselt der Tonfall, es wird gewissermaßen ordinärer, Kevin Hays singt in einem Bluesrock, wie ähnlich auf seinem Album „New Day“, 2014.
„Twelv8“ könnte man auch verstehen als Paraphrase auf Willie Dixon´s Blues-Klassiker „Spoonfull“, freilich mit dissonanten Akkorden.
Das Album entfernt sich vom anfänglichen Zauber eines Jahrmarktes, es fällt vor allem in puncto Groove auseinander: „Grungy Brew“ ist in dieser Hinsicht das hilfloseste Stück von allen, geradezu eine Paradebeispiel dafür, wie ein gebrochener Groove eben das wichtigste nicht erfüllt - zu grooven.
Irgendjemand übernimmt halbherzig die Bass-Funktion. Hier, wie später auch in „Soft Rock“, vermisst man einen etatmäßigen Bassisten geradezu schmerzlich.
Man ahnt, wo Jeff Ballard hin will: zu einer alternativen Vorstellung von „Jahrmarkt“, einem eher poetischen Bild davon, wo nicht mehr Bewegung und Effekte dominieren; stilistisch übersetzt: zu einer Art Jazz-Dub, mit flächigem Sound, unter Vermeidung expressiver Zuspitzungen, vielleicht auch eine Art neo-cool - aber es fehlen ihm die gestalterischen Mittel dazu.
Für einen Schlagzeuger nicht unbedingt eine Empfehlung.

erstellt: 07.02.19
©Michael Rüsenberg, 2019. Alle Rechte vorbehalten