MARC COPLAND TRIO And I love her *******


01. Afro Blue (Santamaria),  02. Cantaloupe Island (Hancock), 03. Figment (Gress), 04. Might have been (Marc Copland),  05. Love Letter (Abercrombie),  06. Day and Night (Marc Copland), 07. And I love her (Lennon, McCartney), 08. Mitzi & Jonny (Copland, Gress, Baron), 09. You do something to me (Cole Porter)

Marc Copland - p, Drew Gress - b, Joe Baron - dr

rec. 08/2017
Illusions Mirage IM 4004



Marc Copland spielt Standards. Das tut er oft auf seinen Alben.
Marc Copland spielt Oldies (wenn man die „Standards“ der Popmusik mal so bezeichnen will). Das tut er - nicht ganz so oft, aber auch nicht selten. Meist covert er Joni Mitchell.
Die Beatles covert er zum ersten Male.
Dass er „And I love her“ gleich auf´s Cover hebt, mag das unterstreichen. Aber, dass er damit das beste Stück promoviert, kann man nun wirklich nicht sagen.
Er exponiert das Thema sogleich, wie zu erwarten mit erheblich angereicherten Harmonien, Drew Gress hat ein Solo, aber eine besondere Poetik möchte man ihm nicht zuschreiben.
Wer sich etwas herausnimmt, ist Joey Baron, er fällt in der Coda mit extrem offbeat gesetzten Akzenten auf.
Sie wirken deplaziert, ein wenig überzogen. Man kann sie aber auch hören als Vorwegnahme dessen, was mit gleich im Anschluss folgt.
cover copland and i love her„Mitzi & Jonny“ ist eines von zwei Stücken, dieser Produktion, das der Schlagzeuger mit einem pattern eröffnet, und seine Partner müssen sich dazu etwas einfallen lassen.
Was folgt, ist im wahrsten Sinne „frei improvisiert“, aber keineswegs FreeJazz (weil es jeweils im tonalen Rahmen bleibt).
Mit anderen Worten, die Konsequenzen für Copland & Gress lauten: sie spielen etwas, was sie noch nie gespielt haben.
Bei „Mitzi & Jonny“ steigen sie auf das drum pattern von Baron ein; es ist sehr funky. Und erklingt in einem staccato wie nicht sonst auf diesem Album.
Auch bei „Afro blue“ gibt Joey Baron die Richtung vor.
„Wir waren beim Aufwärmen“, schreibt Marc Copland im Pressetext, „und wie so häufig startet Joey mit einem Groove, in diesem Falle einem 6/8…und mir fällt Afro Blue dazu ein; ich bin sicher, dass ich es noch nie zuvor gespielt habe“.
Den Vorgang können wir gut nachvollziehen: Copland spielt erst nach zwei Minuten das Thema an. Aber wie er in Baron-Vorgabe ein 6/8 pattern gehört haben will, bleibt sein Geheimnis. Egal, der 6/8 Takt wird meist nur gefühlt und nur in wenigen Momenten richtig ausgeführt.
Das reicht für eine wunderbar abstrahierte Fassung des Klassikers von Mongo Santamaria.
Gleich im Anschluss hört man das Trio funky und bluesig wie nie zuvor, und das in einem Standard, der schon tausendfach beleuchtet worden ist: Herbie Hancock´s „Cantaloupe Island“.
Funky hier nicht im Sinne der afro-amerikanischen Ästhetik, also nicht tight, sondern immer noch luftig, kammermusikalisch, im rubato-Stil, das dieses - neben anderen Trios - kultiviert. Joey Baron hat hier ein Solo und führt diese ungemein überzeugende Interpretaton in der Coda in einen Marsch.
Nebenbei bemerkt, dies alles ist sehr transparent aufgenommen und klingt sehr gut.
Mit „You do something for me“ von Cole Porter ist die Band in ihrem zweiten Metier, dem locker aufgebrochenen swing.
Ob „Love Letter“ von John Abercrombie je ein Standard wird, wird die Zukunft zeigen. Der Walzer ist eine Hommage an einen Freund und langjährigen Mitspieler. Abercrombie hatte das Stück in seinem Konzertrepertoire, ohne Titel, er hat es nie aufgenommen.
Hier erklingt es zum ersten Mal, mit einer Titelgebung von Marc Copland.

erstellt: 23.10.19
©Michael Rüsenberg, 2019. Alle Rechte vorbehalten