NILS WOGRAM Muse *****

01. All the things that could go wrong (Wogram), 02. Hope and fear, 03. Chillin´ with J, 04. Basis of Learning, 05. Miniature I, 06. Miniature II, 07. Miniature III, 08. Miniature IV, 09. Miniature V, 10. Hard to like him, 11. Albis Abelis, 12. Michel´ s secret, 13. Hell of the Intellect



Nils Wogram - tb, Hayden Chisholm - as, Gareth Lubbe - va, overtone singing, Kathrin Pechlof - harp

rec. 20./21.12.2020

nwog Records 041

Die Verbindung dieses Projektes zu „Riomar“ (2012) ist - zumal für Kölner - leicht zu erkennen. Binnen vier Wochen war Nils Wogram neulich in der Domstadt mit beiden Formationen zu Gast.
Der Vergleich ließ sich nicht nur live, sondern lässt sich jetzt auch anhand von Tonträgern bewerkstelligen.
Sehr viel mehr als die Mitwirkung von Hayden Chisholm und Gareth Lubbe sowie „irgendwas mit Kammermusik“ schält sich als Schnittmenge aber nicht heraus.
„Riomar“ firmiert als Release von Root 70 with Strings, also als Veröffentlichung von Wograms langjähriger Jazzgruppe.
cover wogram museDie Zuordnung von „Muse“ zum Jazz ist weniger deutlich; der erste wirkliche Jazz-Moment ergibt sich mit track 3 („Chillin´ with J“), und das heißt: erst nach ca. 18 Minuten, rhythmisch in Form eines vormodernen Two Beat swing. Das Stück verströmt die Gemütlichkeit eines Cafehaus-Ensembles.
„Hard to like him“, sehr viel später, enthält ebenfalls jazzoide Elemente, es ist eines von vielen Stücken unter der Dramaturgie eines ostinato.
Einen track später („Albis Abelis“) kann man ein Thema a la Albert Mangelsdorff erkennen, im hymnischen „Michel´s Secret“ nach einem rubato-Part schließlich auch einen im angedeuteten Ska-Rhythmus.
Trotz vielfacher Kontrapunktik steht das Projekt der Neo-Klassik sehr fern, von Neuer Musik ganz zu schweigen. Avantgardistischen Ehrgeiz gibt es nicht zu erkennen.
Manches in dieser Richtung, die multiphonics der Posaune, der Oberton- und Kehlkopfgesang (eine uralte Technik, wohl wahr, die aber auch die Avantgarde nicht verschmäht) streben nicht aus dem kammermusikalischen Rahmen.
Und das Instrument, was diesem Modell traditionell am ehesten entspricht, nämlich die Harfe, bleibt den Konventionen am meisten verhaftet. Es wirkt seltsam unterbelichtet.
Hayden Chisholm darf hier insbesondere seinen Flötenhaften Ton auf dem Altsaxophon ausleben („Michel´s Secret“), sehr schön auch die Parallelführung von Gareth Lubbes archaischen Gesangskünsten mit den beiden anderen Blasinstrumenten.
Nils Wogram, soviel ist richtig, schlägt mit beinahe jedem Projekt ein separates Kapitel auf. Soviel Variationswillen ist unbedingt zu begrüßen, er gehört zu den Top-Tugenden der Gattung.
Nicht aber sind alle Projekte gleichwertig.
Wenn dereinst - wo auch immer - „abgerechnet“ wird, düfte „Muse“ schwerlich zu den most memorable works dieses bedeutenden Repräsentanten des europäischen Jazz zählen.

erstellt: 17.10.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten