FREDERIK KÖSTER/DIE VERWANDLUNG Stufen ******

01. Stufen (Köster), 02. Rhyme or Reason, 03. Your Silence is killing me, 04. Until I find you, 05. Further in the Summer (T: Dickinson, M: Köster), 06. Roadtrip, 07. Stella

Frederik Köster - tp, voc, Sebastian Sternal - p, Joscha Oetz - b, Jonas Burgwinkel - dr

rec. 29./30.03.2022, 26./27.05.2022
Indigo/Traumton 4711

Kontinuität ist eine in der deutschen Jazzszene nicht häufig zu erlebende Eigenschaft. Eine Band, die in ein und derselben Besetzung seit 10 Jahren gemeinsam spielt und dabei fünf Alben veröffentlicht hat - chapeau!
Das sind die Eckdaten des Quartetts um den Kölner Trompeter Frederik Köster. Selbst den leicht großsprecherischen Bandnamen darf man ihm nicht übelnehmen, denn er entspricht ihm durchaus.
cover Koster StufenUnd Zeichen der Kontinuität lassen sich immer wieder im Material finden. Köster hat einen Hang zu Fanfaren-Themen, und wie das vorherigen Album „Golden Age“ (2019) eröffnet er auch dieses mit einem nämlichen Motiv - nicht so schreiend zugespitzt wie damals, mit elektronischem Flatterband, aber eben doch auch dynamisch.
Die gleitende, sich aufschaukelnde Dynamik spiegelt sich nicht im - von Herman Hesse entlehnten - Titel „Stufen“; sie vollzieht sich in einem langen Bogen bis zur Hälfe des Stückes.
Bis dahin formuliert Köster alles, was er formulieren will; die Sekundläufe, für die einst Manfred Schoof stand, kriegt er mühelos hin, im Auslaufen einer Phrase auch noch ein winziger Moment von multiphonics.
Bei 4:31 übernimmt Sebstian Sternal und baut das Stück in einem ähnlichen Bogen wieder auf.
Die frappierendste Korrespondenz zeigen die beiden im vierten track, in „Until I find you“ (vom Titel her beeinflusst vom US-Schriftsteller John Irving).
Das Thema auch hier Fanfaren-artig. Sternal baut wieder auf, nun rockig, und er schließt sein Solo mit Motiven, entfernt minimalistisch, die Köster aufgreift und mit ihm exerziert.

Die Rhythmusgruppe dabei - Joscha Oetz und Jonas Burgwinkel - hellwach. Das nunancierte Spiel, das die beiden ausbreiten, insbesondere in verschiedendsten Ausprägungen von rubato, ist ein Genuß.
Zusammen mit den beiden frontmen summiert sich diese Band zu einem hoch-verdichteten Quartett; man höre zum Beispiel „Roadtrip“, das mit „arabischen“ Anklängen an das Vorgängeralbum anschließt, diesmal freilich durchgängig ohne elektrische Klangerzeuger.
Des Bandleaders Faible für Poetik freilich zeigt dort, wo sie nun wirklich Gestalt annimmt, seine Schattenseite. In „Further in the Summer“ kann Köster nicht umhin, die Zeilen von Emily Dickinson selbst zu singen.
Wir erinnern uns dunkel an den Moment aus einem der Konzerte im Kölner „Loft“, aus denen sich das Albums speist.
Er hätte es nicht tun sollen. Er hätte, wie auf dem Debütalbum von 2012, die damalige Praxis bevorzugen sollen, einen Gast zu engagieren, z.B. Tobias Christl.

erstellt: 17.01.23
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