Joshua fit the battle of (what?)

Es tritt auf ein bekannter Rasensportler und legitimiert seine noch nicht erfolgte Corona-Impfung mit „fehlenden Langzeitstudien“.
Er gibt sich damit dümmer, als er als Unterstützer einer weltweiten Impfinitiative eigentlich sein dürfte.
Aber eben weil es sich um einen Leistungsträger des FC Bayern München handelt, behandeln ihn Experten aller Art - vom Medizinjournalisten bis zum Vorsitzenden der Stiko (in FreeJazz-Kreisen als Evan-Parker-look-a-like beliebt) - keineswegs als Dummhansel, sondern begrüßen seine Fehleinschätzung als Steilpaß, um sie mit leichter Hand zurückzuweisen.
Der beste, kürzeste Rat kommt, wie immer, von Müntefering: "Der soll Tore schiessen!"
Joshua Kimmich kreiert damit ein neues Musterbeispiel dessen, was gerne unter „Aufmerksamkeitsökonomie“  diskutiert wird.
Etwa zum gleichen Zeitpunkt wie Kimmich treten im selben Land (aber aufmerksamkeitsökonomisch in einer anderen Welt) Leistungsträger mit einem nicht identischen, aber doch verwandten Anliegen an die Öffentlichkeit.
Ihr kulturelles Kapital übersteigt das des Herrn Kimmich um ein Vielfaches.
Ihr Bargeldvorrat aber steht in umgekehrt proportionalem Verhältnis dazu.
Es sind viele. Es sind die längst die hundert überschreitende Anzahl Unterstützer des Netzwerkes Musik In Freiheit, Musiker und Musikerinnen aus Jazz und Klassischer/Neuer Musik, etliche von ihnen Leistungsträger in ihrer Gattung.
Während es dem Herrn Kimmich nur um sich selbst geht und er sich keinerlei Sorgen machen muss um die, die ihn sehen wollen (deren Zugang ist behördlich klar geregelt und erfolgt in großer Zahl), geht es den Musik-Netzwerkern genau darum. Und noch viel mehr:
„Musik kann ihre Kraft nur dann entfalten, wenn alle Menschen freien Zugang zu Konzertveranstaltungen haben, unabhängig von Bedingungen und Einschränkungen; jeder Einzelne frei entscheiden kann, unter welchen Umständen ein Konzertbesuch verantwortungsvoll möglich ist; Künstler ihre Kunst ungehindert ausüben können“.
Achtung, Achtung, diesen Aufruf zur Anarchie zieht die Jazzpolizei nicht aus dunklen Quellen des frühen 19. Jahrhunderts heran, sondern aus dem Oktober 2021.
Aus dem Manifest der genannten Netzwerker.
Es leuchtet ein, dass diese Berufstätigen unter der Pandemie weitaus mehr leiden mussten als alle Kimmichs.
Wer ihr „Manifest“ aufmerksam liest, bemerkt, dass sie weniger das Virus fürchen als vielmehr die jüngsten Maßnahmen zu dessen Eindämmung, gedacht zum Schutz ihrer selbst wie auch ihrer Zuhörer (2G/3G):
„Mit den aktuellen Maßnahmen und Regeln verbreitet sich darüber hinaus in unseren Augen ein Menschenbild, das jeden Mitmenschen als einen potenziellen Gefährder ansieht. Dieser Angriff auf die Würde des Menschen ist gesellschaftszersetzend – nicht nur räumlich, sondern auch rechtlich, persönlich und emotional“.
Sie sehen - ganz im Stile des 19. Jahrhunderts - die Gefahr: „unser kulturelles Erbe kann so nicht mehr adäquat an zukünftige Generationen weitergegeben werden“.
Die Netzwerker interpretieren die Resolution der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PVER) Nr. 2361 vom 27. Januar 2021 in der Art, wie Django Bates Standards zu behandeln pflegt („arranging the hell out of something“), auf gut Deutsch: sie verkehren sie (die Resolution) in ihr Gegenteil.
Sie meinen, uneingeschränkte Freiheiten daraus lesen zu dürfen. Die empfindsamen Künstler  („Musik ist die Sprache der Seele“ lautet der Auftakt zum Manifest) möchten sich „nicht in eine Position gedrängt fühlen, in der wir gezwungen werden, die staatlicherseits auferlegten 2- bzw. 3- G- Regeln für den Zugang zu Kunst und Kultur anerkennen zu müssen und hierdurch eine Kluft zwischen uns und unserem liebgewonnenen Publikum, unseren Fans und Freunden aufzureißen. Es steht uns in keiner Weise zu, derartige Gesundheitsdaten abzufragen. Hierbei handelt es sich um eine Aufgabe, die wenn überhaupt, ausschließlich durch den Staat durchgeführt werden darf“.
Die Bewohner des Wolkenkuckucksheimes möchten sich nicht die Hände schmutzig machen, Staat!
Begreife das! Zahle und schaffe an!
„Wir Musiker fordern hiermit, der Musik und der Kunst im direkten Austausch mit allen Menschen ihren dringend notwendigen, gewohnten, diskriminierungsfreien und freiheitlichen Raum zurückzugeben. Wir erkennen, dass uns allen eine der wichtigsten Quellen für Lebenskraft genommen wird. Wir Musiker stehen ein für Musik in Freiheit!“
Die Jazzpolizei hofft, Thomas „Evan Parker“ Mertens von der Stiko möge sich mit seinem erwiesenen Langmut zu einer Sonderschicht betreuten Hörens bemüßigt fühlen.
Es sollten die fehlgeleiteten Seelen der Musik von ihm erst einmal die Fakten hören und im Anschluss Empfehlungen, wie man ein Manifest formuliert, das wenigens die Chance hat, ernstgenommen zu werden.

erstellt: 28.10.21
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