Johanna, Claudia, Marco & Christian

JohannaSchneider cJensOschmann scaledDie Essener Sängerin Johanna Schneider ist in den Vorstand der Deutschen Jazzunion gewählt worden.
Die Jazzpolizei gratuliert, schon allein aus lokaler Verbundenheit.
Früher hätte selbst die Jazz liebende Öffentlichkeit wenig über diesen Vorgang erfahren; der Verband hätte gemeldet, die Auserwählte hätte mit einem „keep swinging" gedankt und sich auf die erste Vorstandssitzung vorbereitet.
Heute kommt eine solche Berufung nicht ohne kultur-
politische Begleitmusik aus.
Die Jazzpolizei geht wohl nicht ganz fehl in der Annahme, dass das dabei genutzte Vokabular auch den Sound annimmt, der insbesondere der neuen Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, gefallen soll.
Obwohl, was die mutmaßlich Umworbene in der FAS (26.12.21) auf die Frage „Was hören Sie?“ enthüllt, nicht nur keinen Jazz enthält („Ich höre alles, was mein Herz berührt und zu meiner Stimmung passt - von klassischer Musik bis hin zu Rock und Pop“), sondern zugleich signalisiert, dass sie audio-programmatisch noch nicht recht in ihrem Amt angekommen ist.
Igor Levit - logo - zählt zu den Freunden der Ministerin, und - noch mehr logo - hört sie „rauf und runter“ Ton, Steine, Scherben. „Für absolut gute Laune darf es auch Marianne Rosenberg sein (…) eine echte Kämpferin“.
Die Jazzpolizei blendet sich hier aus der Aufzählung der Vorlieben der Amtsträgerin aus, weil sich danach nur noch mehr Hürden auftürmen, die von Jazz-Tönen zu überwinden wären.
Zunächst geht es ja um das Programm der neuen Jazz-Union-Vorständin Johanna Schneider. Und das enthält Elemente, die sich längst verselbständigt haben.
Das erste Glied der Forderungskette „mehr Sichtbarkeit, wertschätzende Arbeitsbedingungen und Chancengleichheit“ mag aus dem Mund einer Musikerin fremd klingen, aber insgesamt ahnt man, was sie meint. Und mag dem auch zustimmen.
Größeren Diskussionsbedarf dürften diese beiden Sätze beanspruchen:
„Unsere Jazzlandschaft vereint extrem hohe Qualität mit sozialer Durchlässigkeit“, sagt Johanna Schneider.
Und, „mit den diversen Akteur*innen und Stilistiken kann die Jazzszene in Deutschland wertvolle Beiträge leisten, wenn es darum geht, überkommene Gesellschaftsstrukturen zu verändern“.
Den Akteur*innen mag man unter ganz, ganz günstigen Bedingungen ihr segensreiches Wirken noch zutrauen, aber dass Jazz-„Stilistiken“ überkommene Gesellschaftsstrukturen verändern, wäre eine Errungenschaft, wie sie die Geschichte noch nicht erlebt hat.
MB SoundSoundscloudEin Kollege von Frau Schneider ist hingegen seit dem 8. Dezember 2021 in der Tat damit beschäftigt, „überkommene Gesellschafts-
strukturen zu verändern“, und zwar hauptamtlich.
Er verfolgt zum Beispiel den Plan für die Schaffung eines neuen gesetzlichen Modells für Lebensgemeinschaften.
Dass er überhaupt als Kollege - im weitesten Sinne - zu betrachten ist, wussten bis vor kurzem nur wenige; nur die, die seinen Eintrag bei Wikipedia bis nach unten gescrollt haben, unter „Privates“.
Alle anderen kennen ihn lediglich in seinen Rollen als gesellschaftsverändernde Kraft: als Generalsekretär der FDP, und jüngst als Bundesjustizminister.
Yes folks, fasten seatbelts, wir sprechen von Marco Buschmann.
Er veröffentlicht unter MB Sounds insgesamt 56 tracks auf soundcloud, seit 7 Jahren, letzter Eintrag vor 5 Monaten.
Ob das nun wirklich „Songs“ sind, wie die SZ sie klassifiziert, obendrein als „wundervoll“ - naja.
Seit das Pseudonym nun halbwegs gelüftet ist, hört man die Stücke mit „anderen Ohren“, ansonsten wäre der FDP-touch irjenswie in der Luft hängengeblieben.
Wer hätte denn die semi-tragischen, synthetischen Streicher von „HDG Funeral“, die in eine seltsame Re-Harmonisierung von „Ode an die Freude“ münden, als Widmung an den verstorbenen Hans-Dietrich Genscher gehört?
Bei „Wutrede“ fällt die De-Codierung leichter: man sieht nicht nur, man hört auch Christian Lindner im Düsseldorfer Landtag, wie er einen unbenannten SPD-Kollegen schurigelt.
Es gibt sogar eine Fortsetzung, Lindner rapt wenig später in „Second Speach of Anger“.
Und der Refrain verdient, durchaus noch einmal gelesen zu werden:
„Wenn es ein ungeschriebenes Kapitel des Grundgesetzes gibt, das eine historische Lehre aus 1945 enthält, dann doch diese: eine Partei, die wieder völkisch denkt, die Rassenpolitik macht und die Krisen nicht lösen will, sonderen die Krisen geradezu herbeisehnt, eine solche Partei darf in Deutschland niemals mehr politische Bedeutung erlangen!“

Fotos: Jens Oschmann, Soundcloud
erstellt: 27.12.21
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