Münchner G´schichten der Jazzgeschichtsphilosophie (5)

Große Überraschung. Zu Ostern 2018, zum Fest der Auferstehung, kommt ein Text aus der SZ-Werkstatt, der weitgehend nicht dem gängigen Muster entspricht: er ist vielleicht nicht ganz vollständig, in den groben Zügen aber korrekt.
Vielleicht, weil er nicht in München, sondern in Leipzig verfasst wurde?
Autor ist Professor Michael Wollny von der dortigen Hochschule für Musik und Theater, im Hauptberuf bekannt als „einer der erfolgreichsten deutschen Jazzpianisten“, wie die SZ ihn nahezu untertreibend vorstellt.
(Zu seiner Tätigkeit sind für gewöhnlich ganz andere Superlative im Umlauf).
Wollny nun kommt der Aufgabe nach, für das SZ-Feuilleton auf immerhin einer zweidrittel Seite drei Fragen zu beantworten:
Wie funktioniert Improvisation? Wie wird man Jazzer? Und wie geht´s dem Jazz in Deutschland?
Das sind, wie man dem Text anmerken kann, auch für soviel Raum zwei Fragen zu viel; die Antworten auf die Fragen 2 und 3 greifen viel zu kurz.
Im Grunde haben sie auch wenig miteinander zu tun. Und so bewirken sie, dass der Autor immer wieder sprunghaft von der Hauptfrage abweicht.
Immerhin etabliert er sehr früh den für „Jazzer“ und „Jazzmusiker“ unüblichen Gedanken, dass ein Gespräch (in diesem Fall das Standardinterview mit einem Journalisten über die „immer wieder gestellten“ Fragen 2 und 3 „in diesem Moment bereits eine Improvisation (ist)“.
Wollny gibt zu erkennen, dass der Primat für Improvisation möglicherweise gar nicht seiner (Musik)gattung gehört (wie dort der Erste Glaubenssatz lautet), sondern aus einem viel allgemeineren Prinzip abgeleitet ist.
Er weiß auch, woher die Fähigkeit zu improvisieren rührt:
„Mit zunehmender Erfahrung wächst die Fähigkeit, Dinge aus der eigenen Perspektive und dem Moment heraus zu entwickeln…“.
Auch den Gipfel des Gelingens vergisst er nicht, den flow (auch wenn er den Begriff nicht verwendet und dazu über Herman Melvilles „Moby Dick“ findet).
In einem aber bleibt der Professor aus Leipzig durch und durch Jazzer:
Improvisation ist eine Technik des Gelingens. Und keine Handlungsweise, die auch in die Hose gehen kann.
Ob´s die Umgebung nun merkt oder nicht.

erstellt: 31.03.18
©Michael Rüsenberg, 2018. Alle Rechte vorbehalten