Uli Rennert, 1960-2021

Er war so sehr in der Grazer Jazzszene verwurzelt, seine Musik kündete auf spezifische Weise ebenso von den Eigenarten des Jazz made in Austria,
dass man immer wieder doch hervorkramen musste: er ist in Frankfurt am Main geboren, am 25.09.1960, als Sohn eines Künstlerpaares.
Der Gedanken- und Spielwitz, der sein Werk kennzeichnet, spricht auch aus der einzigen Mitteilung auf seiner Webseite, die er sich unter dem Signum „privat“ erlaubt:
„Uli Rennert lebt seit Herbst 1987 als politisch-idiomatischer Wirtschaftsflüchtling in Graz in Österreich und nahm im Jahre 1993 die österreichische Staatsbürgerschaft an.“
So grotesk-ironisch diese Mitteilung anmutet, sie ist unvollständig. Denn in jenem Herbst 1987 traf Rennert keineswegs erst in der Steiermark ein, er beendete zu diesem Zeitpunkt ein Studium des Jazzklaviers („mit Auszeichnung“), das er dort 1979 begonnen hatte.
Den ersten Musik- und Jazzschliff erhielt er zuvor bei zwei sehr deutschen Institutionen in Mainhattan, am Dr. Hoch´schen Konservatorium sowie bei
Albert Mangelsdorff (Posaune und Ensemblespiel).
Wer je seinen Fuß in die KUG, die Kunstuniversität Graz, gesetzt hat, kann nachvollziehen, dass der hessische Kunstflüchtling die Folgejahre dort segensreich zu verbringen wusste. Er unterrichtet Jazzpiano, dann auch Musikelektronik, übernimmt die Leitung von Improvisationskursen und Ensembles.
2003 habilitiert er sich dortselbst zum „Ao. Univ. Professor im Fach Improvisation“.
Seit 2009 pendelt er auch zum Jazzcampus Basel, als Dozent für den Masterlehrgang Producing/Performance.
Uli RennertDer Jazzkünstler Uli Rennert ist stilistisch schwer zu fassen.
Er hat Bezüge zu den Klassikern des Genres, zu Monk, Ellington & Coltrane, aber auch zur Zweiten Wiener Schule (Schoenberg, Berg, Webern).
Mitunter schwimmt er, mit seinem Project S, in einem sehr eigenen Seitenarm des Thirdstream.
Seine Bearbeitungen von Standards sind skurril, ja kauzig. Im Grunde ist er ein alpenländischer Verwandter des Mottos „arranging the hell out of something“ von Django Bates.
In der Auswahl elektronischer Klangfarben scheut er mitunter nicht solche, die man bei einem Experten dieses Zuschnitts nicht erwarten würde.
Uli Rennert ist am 5. Februar 2021 verstorben, wie es heißt an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung. Er wurde 60 Jahre alt.
Er wird dank seiner Tonträger in Erinnerung bleiben - aber auch wegen einer anderen Obsession:
Wer Rennert auf Fotos sieht, ahnt, dass er nicht nur in Proberäumen und Tonstudios sich wohlfühlte, sondern auch dort, wo „(ich) riechen kann und schmecken, probieren und beobachten, wie sich etwas entwickelt. Ich sollte mich gut vorbereiten – die 'mise en place' muss stimmen – muss reagieren, im Moment Entscheidungen treffen, Geplantes wieder umdenken, und so weiter“ - kurzum: Improvisieren.
In der Küche.
Das Menu „cooking“ auf der Rennert´schen Webseite präsentiert eine Speisenfolge, die einem steirisch-mediterranen Restaurant zur Ehre gereichen würde.
Uli Rennert cooking

erstellt: 10.02.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten