Ralph Peterson, 1962-2021

Ralph Peterson

Zu den unschönen Gewohnheiten in unserer kleinen Welt gehört es, bei Gelegenheit die Vergangenheit des Genres für vergangen zu erklären.
Und den Begriff Jazz gleich mit.
Zum Glück setzen aber solche Gegenwartsduseleien das 1. Jazz-Axiom nicht außer Kraft, das da lautet:
Der Jazz ist immer auch sein Gegenteil!
Die traurige Nachricht gibt die Chance, noch einmal Geschichten zu hören, die nicht den Lauf der Jazzhistorie geändert haben, die nicht in den Toplisten des Genres auftauchen, die einfach nur die Tugenden dessen auskosten, was man zutreffenderweise Jazz nennt.
Also, legen wir beispielsweise „V“ auf, den Einstieg von Ralph Peterson mit seinem Quintett bei Blue Note, im April 1988.
Hardbop vom „Fackelträger der Jazz Messengers“ (Jazziz) - obwohl wir den Traditionsbewahrer hier in einer ausgesprochenen Tony Williams-Phase erleben.
Herrschaften, was ist hier los! Wer kann sich einem solchen Sog entziehen?
Der Auftakt „Enemy within“ vertilgt den oben genannten Begriffsdünkel in einem Wirbelsturm.
Der nächste track „Monief“ hantiert u.a. mit einem 17/8 Takt und geht trotzdem ab wie eine Rakete.
„The Short End of the Stick“, ein bright swing im Tempo 220 bpm hat Vijay Iyer jüngst in dem Kongreßband „The Power of Geri Allen“ analysiert, namentlich das Solo von Geri Allen (1957-2017) darin.
Ach wer nie etwas von diesem Album gehört hat, bekommt unter Nennung des weiteren Personals (Terence Blanchard, tp, Steve Wilson, ss, as, Phil Bowler, b) eine Vorstellung von der eminenten Attaktivität dieser Musik.
Das ist jazz as jazz can, ein modernisierter Hardbop, ein unverwüstlicher Kernbestand, der es noch jedem, der sich daran versucht, einen persönlichen Zugriff erlaubt. Handwerk vorausgesetzt!
Allein unter diesem Aspekt ist „V“ ein Meisterstück.
Wie gesagt, es zeigt den Verstorbenen mit einer seiner stilistischen Referenzen (Tony Williams), wenngleich er vieles anders macht als der historische Vorgänger. Sein anderer historischer Bezugspunkt war Art Blakey, bei dem er als zweiter Drummer überhaupt mitwirken konnte.
Es war sein Einstieg in die Jazzwelt und zugleich sein Operationsfeld der letzten Jahre. Die „Fackelträger“-Bezeichnung ist nicht nur drum-stilistisch
(in Teilen) berechtigt, sondern auch in Bezug auf das Repertoire. Für seine letzte Veröffentlichung „Onward & Upward“ (2020) versammelt er erneut, wie schon den Vorjahren, Veteranen der Messenger-Jahre.
Peterson stammt aus einer Familie von Schlagzeugern, insgesamt 16 Jahre hat er in Boston an der Berklee School of Music unterrichtet; in derselben Stadt unterhielt er auch ein Taekwondo-Studio. Ja, er war ein sehr körperlicher Vertreter seiner Zunft, auf Fotos wirkt er häufig wie kurz vor dem Absprung.
Den hohen interaktiven Anteil seines Spiels hat er sich bis zuletzt bewahrt, in einem Trio mit den Curtis Brothers. Mit ihnen als Kern eines Quintetts wird in diesem Frühjahr ein Album erscheinen.
Peterson´s große Jahre waren die 80er und 90er. Später hatte er ein Drogenproblem, das er seinen Berklee-Studenten nicht verschwieg. Mit einigen aus diesem Kreis formierte er eine Big Band, deren Debüt „I remember Bu“, eine Hommage an Art Blakey.
Ralph Peterson jr., geboren am 20. Mai 1962 in Pleasantville/New Jersey, ist am 1. März 2021 an Krebs gestorben. Er wurde nur 58 Jahre alt.

erstellt: 02.03.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten