CHRISTY DORAN´S NEW BAG Perspectives *****


1. Happy Black Soul (Doran), 2. Casa delle Masche, 3. Perspectives, 4. Who knows, 5. Home Part I (Kuratli), 6. Part II, 7. Part III, 8. Part IV

Christy Doran
- g, Wolfgang Zwiauer - bg, Bruno Amstad - voc, Fabian Kuratli - dr, perc, Hans-Peter Pfammatter - keyb

rec 25-27.6.2004

SunnyMoon/Between the Lines BTLCHR 71204; LC-Nr 01221

Der Schweizer Jazzrock - und das reicht zurück bis in die Mittachziger Jahre, zu
Thomas Jordi und Andreas Brugger, bei Donkey Kongs Multi Scream - zeichnet sich durch überdurchschnittliche Rhythmusgruppen aus. Wenn auch mit anderen Ausdruck steht diese Gruppe gleichfalls in dieser Tradition, Zwiauer/Kuratli sind ein hart groovendes Funk-Team.
"Perspectives" ist bereits das vierte Album des irischen Wahl-Schweizers
Doran mit dieser Combo, nach dem Debüt "Confusing the Spirits“"(1999). Zum Glück hat er der Versuchung widerstanden, dem Titel das Adjektiv "new" hinzuzuschmuggeln - das käme einem Etikettenschwindel gleich. "Perspectives" nämlich zeigt den neuen Sack als benutztes Behältnis, oder, um mit einem ähnlichen Allerweltsbegriff auf den Titel zu antworten, als ein "konsolidiertes" Unternehmen.
Der Ambient-Anteil ist reduziert, und so recht scheint die Gruppe für ihren Sänger keine Verwendung (mehr) zu haben. Er singt okay, ja, aber gelegentlich versucht er sich in
Phil Minton´ismen, das kann nicht gutgehen. Vielleicht sollte er hier, vorsichtig dosiert, seine vokalen delay-Techniken aus seinem Duo mit Albin Brun integrieren.
Der Bandleader hat in dieser Gruppe gelernt, seine solistischen Ambitionen zu stutzen, und je mehr die Band unter dem Seitenwind "schräger Song“"segelt, desto besser nimmt sie Fahrt auf. So ist "Who knows" - nicht nur vom Titel her - eine zeitlose
Hendrix-Hommage mit sägenden hooklines und zupackendem groove switching.
Ja, die Rhythmusgruppe,
Wolfgang Zwiauer und Fabian Kuratli, nicht zu vergessen Hans-Peter Pfammater, sie absobieren die meiste Aufmerksamkeit. In "Who knows" machen sie mächtig los, und auch der Auftakt "Happy Black Soul" mit seinen Afrikanismen ist erst ab einem bestimmten handwerklichen Niveaus ausführbar. Christy Doran eröffnet a capella auf der akustischen Gitarre fast mit einer Lautenweise; erst wenn das Stück später über zwei Hilife-Rhythmen seinen afrikanischen Charakter herausstellt, vermag man darin auch das afrikanische Flair zu erkennen. Im ersten Teil, 4/4, werden die verschiedenen Instrumentalstimmen mustergültig afrikanisch verknüpft (interlocking), der zweite Teil dann über einem geradezu "hüpfenden" 14/8-Takt mit allerlei offbeat-Akzenten von Kuratli. Klasse!

©Michael Rüsenberg, 2004, Nachdruck verboten