IGNAZ DINNÉ Back Home *******

1. Tiny Tune (Dinné), 2. Sunrise, 3. 4th Avenue, 4. Back Home, 5. Südstern, 6. Body and Soul (Green, Heyman, Sauer, Eyton), 7. Free Pete (Pete Rende), 8. Toy Tune (Shorter), 9. Epilogue (Weill)

Ignaz Dinné
- as, Pete Rende - p, Matt Penman - b, Jochen Rueckert - dr

rec 22.+23.1.2004

SunnyMoon/Double Moon DMCHR 71038

Lord, oh Lord
, wann haben wir je einen so schwarzen deutschen Saxophonisten gehört? Wir wollen niemanden zu nahe treten, aber Ignaz Dinné, zufällig im Kontext all der neuen Sängerinnen- und Saxophonistinnen-"Wunder" gehört, fällt so aus dem Rahmen, dass man an Hand des Covers überprüfen muss, ob man hier überhaupt einen deutschen Musiker vor sich hat.
Einen Saxophon-Ton wie diesen, eine solche Rhythmusgruppe wie diese kann man per Erfahrung für dieses Land ausschliessen. Und dann beginnen auch schon die Relativierungen. Ignaz Dinné, geboren 1971, Sohn des
Ed Kröger (ein Posaunist, der Pianist wurde, und dann wieder zurückwechselte), gebietet über eine sehr amerikanische Jazz-Sozialisation. 1993 Berklee School of Music, dann als einziger Saxophonist am Thelonious Monk Institute of Jazz Performance, mehrere Jahre in New York und Gelegenheit, bei Bobby Watson (Yo man!), Branford Marsalis, James Moody, Ron Carter und angeblich auch His Wyntoness zu lernen.
Das allein reichte schon für diesen
un-europäischen Saxophon-Ton, der auf Anforderung zwischen Paul Desmond, Kenny Garrett und John Coltrane oszilliert. Man müsste Garrett mal "Südstern“ vorspielen; nicht dass Dinné kopiert, es ist allein die Sprache, die zu dieser Zuordnung zwingt, das Ohr hört durchaus die Differenzen.
Der Pianist
Rende kommt aus New York, und noch einmal mehr als die halbe Miete ist die Wahl der Rhythmusgruppe, die beste in diesem Lande, und eben auch schwer New York-lastig, die Rhythmusgruppe von Nils Wograms Root 70.
Bis auf den unendlich flexiblen swing hat Dinné mit deren Konstruktivismus nichts gemein, er wurzelt weitaus mehr in der schwarzen amerikanischen Tradition, ist einem Monk viel näher, mit einer Ruhe, einem timing, das den 33jährigen viel älter klingen lässt.
Schon der Auftakt "Tiny Tune", eine Art Paul Desmond meets Ornette Coleman, lässt einem die Haare zu Berge stehen: viele in diesem Lande schnappen nach einer solchen Artikulation wie der Hund nach der Wurst...und erreichen sie zeitlebens nicht.
Herrschaften, ist das ausgeschlafen! Sogar die mangelnde Mikrophon-Disziplin, dieses - absichtliche? - in-den-Raum-Spielen lässt man ihm durchgehen. Einem solchen Ton haben wir zuletzt bei
Soweto Kinch aus Birmingham applaudiert, und Dinné steht ihm in nichts nach.
Man höre nur das Coltrane-gesättigte "Sunrise" oder dann den
Shuffle "Back home" - ein Charles Lloyd, ein Joe Sample würde aufhorchen und einfach nicht glauben, dass ein junger Deutscher das Moanin´ beherrscht.
"Back home" ist wörtlich zu nehmen. Dinné ist seit kurzem wieder im Lande, er lebt in
Berlin. Wenn er sich dort - wie auch immer - europäisiert, brauchen wir uns um die Zukunft des deutschen Jazz keine Sorgen zu machen.

©Michael Rüsenberg, 2004. Alle Rechte vorbehalten