BRÖTZMANN/MANDERSCHEID/SAMBA Danquah Circle *******

1. Waiting for the Sky to fall (Brötzmann, Manderscheid, Samba), 2. Danquah Circle, 3. Fire in the Zipper

Peter Brötzmann
- cl, tarr, as, ts; Dieter Manderscheid - b, Frank Samba - dr

rec 29.11.2002

Konnex KCD 5127
www.konnex-records.de

Wer den grossen alten Mann des deutschen FreeJazz schon abgeschrieben hat, weil der eh´ immer dasselbe spiele, der bekommt hier Gelegenheit, sein Urteil zu überprüfen: Peter Brötzmann mit zwei Musikern, eine Generation jünger, die nicht schon zum Frühstück
atonale Milch trinken und frei-metrische Brote schmieren, die - mit einem Wort - aus ganz anderen Jazzwelten stammen.
Frank Samba, Schlagzeuglehrer an der Folkwang Musikschule Essen, aus Düsseldorfer Pop-Kreisen (JaJaJa, Pyrolator) herausgewachsen; Dieter Manderscheid, Prof. Dieter Manderscheid, der, wie sein Freund und Duo-Partner Thomas Heberer schreibt, "den grossen David Izenzon weitergedacht hat".
Diese drei treffen selten aufeinander. An diesem Abend, 29.11.2002 im
Loft Köln, nicht zum ersten Male, aber doch mit Abstand von 10 Jahren zum ersten Mal wieder. Die Premiere war im Februar 1992, gleichfalls im Loft, gefolgt von einer Goethe-Tournee durch Westafrika und beschlossen mit einem Konzert beim Total Music Meeting desselben Jahres.
"Danquah Circle" ist das Produkt der 10-Jahres-Feier dieses höchst sporadischen Ensembles. Die Rhythmusgruppe hat, soviel darf man verraten, vorher separate Proben abgehalten. Die
Performance profitiert davon - die Atemkurven deiser Musik sind transparent wie selten. Brötzman, den man zu kennen glaubte, erscheint in einem anderen Licht ... und er selbst funkelt auch anders.
Die Gründe, warum dieses Brötzmann Trio so
anders klingt, lassen sich auf eine Ursache zurückführen, nämlich die ganz anders geartete Rhythmusauffassung der Herren Manderscheid und Samba. Manchmal, wenn auch nur für kurze Momente, spielen sie in der Tat time. In diesen Momenten meint man Anflüge an Tony Williams und Shannon Jackson hören, swing und zyklische patterns, "falsche", weil seltene Zeichen in dieser Umgebung. Aber selbst während der Hauptzeit, wenn sie frei-metrisch arbeiten, scheinen sie diesen Bezug, an einen gedachten Beat, nicht aufzugeben. Der Eindruck wird dadurch unterstützt, dass sie enger verzahnt sind als ihre "normalen" Kollegen auf diesen Posten. Sie agieren nicht als Bassist und Schlagzeuer, nein sie bewegen sich als Rhythmusgruppe, nicht selten gehen von ihnen gemeinsam die Impulse aus, fordern sie Brötzmann heraus.
Der bietet ein grosses Spektrum von, ja, trockenen balladesken Kurzmotiven bis hin zu seinen sich überstürzenden
Ketten. Mitunter aber kommt er gar nicht dazu, die Rhythmusgruppe lässt ihn gar nicht. Neben diesem geradezu unverschämt gut intonierten und gut klingenden Kontrabass beispielsweise würde das Brötzophon deplaciert wirken. Ein verhaltener, ja ökonomischer Brötzmann kommt zum Vorschein, mitunter pausiert er minutenlang, hört dem Eigenleben der Rhythmusgruppe zu - aber wann und womit der dann seinen Einstieg wählt, das zeigt denn doch, dass der Mann in tausenden ähnlicher Situationen gelernt hat, den Moment zu bestimmen.
Im
Konzert mehr noch als bei dieser Aufzeichnung (Improvisierte Musik ist ja eminent visuelle Musik!) liess sich aufspüren, wie sehr die beiden jungen den älteren herausfordern, sich nicht auf die Standardsituationen seines Gewerbes einlassen. Und Brötzmann, bei grosser Konzentration, schien das zu geniessen - er wirkt überlegt.
Wie einer, der sagt: heute spreche ich alles anders aus, einen jeden Ton.

©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten