DJANGO BATES You live and learn ********

1. You live & learn (Django Bates), 2. Revision, 3. My Way (Anka, Francois, Revaux, Thibaut), 4. Weird World, 5. Life on Mars (David Bowie), 6. Cumulus (Bates), 7. Horses in the Rain (Endresen, Bates), 8. Football (Bates), 9. From Chaos, anything is possible Around each corner, 10. Interval Song, 11. Alone again naturally (Gilbert O´Sullivan)

Django Bates - keyb, t-horn, voc; Iain Ballamy - ss, ts, harm; Michael Mondesir, Laurence Cottle - bg, Martin France - dr, perc; Josefine Lindstrand - voc, Jim Mullen - g, Chris Batchelor - tp, Smith Quartet: Ian Humphries, Charles Mutter - v, Nic Pendlebury - va, Deirdre Cooper - cello, David Sanborn - as, Archy Bates - voc
rec 01/2003
Lost Marble LM001
www.djangobates.co.uk

Das schönste Geräusch macht immer noch das Schmelzen der Vorurteile. Zwei Wochen im November 2003 hat Django Bates den Kopfhörer kaum abgenommen und "Jazz from Hell" gehört bis...nein, nicht bis der Notarzt kam, sondern bis er sicher war, im Mix ein nur so dahingehauchtes "Live and learn" zu hören. Django Bates, der Zappa-Skeptiker hatte eine mission impossibile übernommen, die schliesslich das Vorzeichen seiner Wertschäftzung austauschte, nämlich Zappas "Jazz from hell", ein Synclavier-Stück, ein höllischer Brocken, für das niederländische Asco Ensemble zu transkribieren - "and they played it!"
Django´s neues Album, unter verwandtem Titel "You live and learn (apparently)", war zu diesem Zeitpunkt längst eingespielt (in der Regie eines Rock-Toningenieurs, im Konk-Studio von Ray Davis (
Kinks) in Hornsey, Nord-London), es liefen allenfalls noch Anfragen bei diversen Verlagen, um die Rechte an von Django bearbeiteten Stücken zu klären.
Zappas Einfluss auf den Spät-Konvertiten herauszufiltern, mag also allenfalls bei den Wühlmäusen der Psychoanalyse verbleiben. Der grosse Rest seiner Hörer mag sich spätestens mit diesem Album mit Analogien plagen, ob Bates aus
London konzeptionell nicht eine ähnliche world of its own geschaffen hat wie Zappa aus L.A.
Nicht Tonfolgen a la Zappa sind damit gemeint, sondern der sehr formale Eindruck, dass Django was immer er anfasst, nach Bates klingen lässt (so wie Zappa immer nach Zappa klingt). Django kommt immer mehr in den Genuss von Auftragskompositionen; und würde ihn Hartmut Mehdorn bitten, das
Kursbuch zu vertonen, so können wir sicher sein, dass Django auch dies wie DB klingen lassen würde.
Weitere Verwandtschaft: das, was man aktuell hört, ist immer nur die halbe Miete - den grossen Rest muss man sich hinzudenken, im Falle Django Bates seine zahlreichen
Orchesterkompositionen, von denen noch kaum eine auf Tonträger veröffentlicht ist.
6 Jahre nach "Quiet Nights" kann Django Bates das Bearbeiten doch nicht ganz lassen:
Paul Anka´s "My Way" fällt nun seiner Achterbahn-Arrangierkunst anheim wie 1995 "New York, New York". David Bowie "Life on Mars" wirkt trotz Streichquartett geradezu gross-orchestral. Die grösste Überraschung aber bleibt "Alone again (naturally)", und nur wer in den 70ern den irischen Pagenkopf Gilbert O´Sullivan im Original erlebt hat, kann den ästhetischen Steilflug richtig taxieren, den das Stück unter den Händen von Django Bates, dem Smith (Streich)Quartett und der Sängerin Josefine Lindstrand absolviert.
Die fabelhaften Smiths sind nicht das erste mal dabei (schon 1995 auf "Good evening...here is the news"), wohl aber
Josefine Lindstrand. Sie ist nicht, wie der Guardian insinuiert, die verheiratete Josefine Cronholm, wohl aber eine gleichfalls in Dänemark lebende Schwedin, 22 Jahre alt, ein Naturtalent der Extraklasse. Wenn man Django´s Manager Jeremy Farnell glaubt, hat sie vor 2 Jahren beim Europe Jazz Orchestra "My Way" prima vista, ohne jede Probe, intoniert - zu aller Verblüffung im Saal.
Gilbert O´Sullivan, David Bowie, Paul Anka - schon die zitierten Fremdkomponisten bilden einen Rahmen, den Django´s eigene Kompositionen ausfüllen, mit anderen Worten: dies ist sein wohl
poppigstes Album. Es beginnt mit dem Titelstück, einer Art white soul Nummer, und schliesst - vor "Alone again..." mit einem Kindersong, dessen Text alle Intervalle innerhalb einer Oktave anspricht ("The Interval Song"). Django aberbeitet mehrfach mit Vorschalt-Stücken: "Cumulus" ist der instrumentale Auftakt zu einer seiner grössten Balladen, "Horses in the Rain" (gleichfalls aus dem "Good evening..."-Album). Der Rap "Revision" leitet - aus juristischen Gründen - "My Way" ein. Die beteiligten Verlage mochten diese Veränderung des Originaltextes nicht akzeptieren, also machten Django & Co einen Vorspann daraus.
Wie schon auf "Quiet Nights" werden auch hier die spielerischen Qualitäten der Musiker eingeschränkt zugunsten eines sehr verdichteten, kompakten Formates. Wer je die Chance hatte, dieses Programm live zu erleben, wird diesbezügliche
Errungenschaften vermissen, z.B. die eine Passage, wo das Streichquartett quasi improvisiert, indem es seine Einsätze selbst wählt. Wem diese Referenz nicht vertraut ist, wird gleichwohl einen Eindruck von einem der besten europäischen (Jazz)Ensembles erhalten..

©Michael Rüsenberg, 2004, Nachdruck verboten