THOMASZ STANKO QUARTET Suspended Night *******

Song for Sarah (Stanko), Suspended Variations I-VII (Stanko), Suspended Variations VIII (Stanko, Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz), Suspended Variations IX (Stanko), Suspended Variations X (Stanko, Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz)

Thomasz Stanko
- tp, Marcin Wasilewski - p, Slawomir Kurkiewicz - b, Michal Miskiewicz - dr

rec 07/2003
ECM 1868 9811244; LC-Nr 02516

Die Jazz-Photographie, jedenfalls die ambitionierte, nimmt mitunter seltsame Wege. Thomasz Stanko, der Gefeierte, schaut hier aus, als habe ihn all das Lob für das Vorgängeralbum "Soul of Things“ gar nicht erreicht; nur einmal lacht er, ansonsten schaut er skeptisch, als gehöre er nicht dazu, als bereite ihm Unbehagen, was er hier mit drei wesentlich jüngeren Kollegen anrichtet.

Es mag Betrachter geben, die den Schattenwurf der Gesichtsfalten im Antlitz des gut 60jährigen, seine Leidensmine, für eine adäquate Visualisierung der tiefen Melancholie halten, die dieser Musik zu eigen ist.

Als melancholisch, soviel ist richtig, auch als elegisch, mag man den Ausdruck diese Musik empfinden. Aber wenn man sich, wie´s ECM vorschlägt, "Lyrizismus“ zu eigen macht, rückt´s von den Bildern schon weg und näher heran an die Musik. "Rubato“, Rubato-Balladen, wäre noch treffender, denn es braucht schon bald eine Viertelstunde, bis in "Variation II“ ein Beat sich etabliert, ein Samba-verwandtes riff, in diesem Kontext geradezu ein vamp, über mehrere Stufen, indem vor allem Marcin Wasilewski zugreift. Hier kumuliert sozusagen ein Eindruck, den schon die ersten beiden Stücke vermitteln: der Pianist bestimmt den Weg.

Wasilewski ist ein Libero, der in allen Spielsituationen sich zurechtfindet. Dass die Stücke meist vieldeutig beginnen und ihre Aussage erst umkreisen, bevor sie sie definitiv treffen, kommt ihm gelegen, denn er hat ein sehr eigenes timing sowie hohe Anschlagskultur und - er hat Reserven. Er ist einer von der Sorte, die in der Coda noch einmal alles umschmeissen, ein richtiger Gestalter.

ECM wäre gut beraten, den Söhnen Stanko´s (vom Alter her könnten sie es jedenfalls sein), also dem Simple Acoustic Trio, ein Forum zu bieten.

©Michael Rüsenberg, 2004,
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