LEBOCAL Oh No!...just another Frank Zappa Memorial Barbecue********

1. Oh no, instrumental version, 2. Take your clothes off when you dance, 3. King Kong, 4. The Idiot Bastard Son, 5. Little Umbrellas, 6. The Air, 7. The grand Wazoo, 8. The Duke of Prunes, 9. Blessed Relief, 10. Mr. Green Genes, 11. Oh no, vocal version

Amaury Bach, Diego Fano
- as; Ernie Odoom - voc, ss, ts; Guillaume Perret - ss, ts; Patrick Montessuit - bars, bcl; Claude Roux - cl, bcl; Jean-Francois Baud, Loic Burdin, Guillaume Lavallard, Vincent Stephan - tp; Vincent Cramer, jeremie Creix, Stephane Monnet, Jean-Phillippe Deprez - tb; Eric Minen - g; Cyril Moulas - g, bg; Luc Detraz - b; Pierre-Yves Desvignes - dr; Rita Marcotulli - p; Laurent Zeller - v; Glenn Ferris - tb; Thierry Girault - p, ep
Thierry Girault, Pierre-Yves Desvignes, Guilleaume Perret (2), Cyril Moulas (3), Luc Detraz, Jean-Francois Baud (2) , Jean-Phillippe Deprez - arr

rec 09/2003
HarmoniaMundi/Le Chant du Monde 2741258

Hallo, Kuni, hallo Colin Towns, aufgemerkt! Wenn die NDR Big Band Zappa anpackt, hat sie neben den Zählkandidaten Riccardo Fassi mit seiner Tankio Band (1994) sowie der Ed Palermo Big Band (1997) nun einen ernsthaften europäischen Konkurrenten, aus Frankreich! Und da könnt Ihr erfahrungsgemäss schon mal eine gehörige Portion Handwerk voraussetzen.

Und nicht nur das: ausgehend von der Verpflichtung, *die ursprüngliche Schreibweise der Kompositionen und Melodien zu respektieren* haben die Arrangeure von LeBocal sich einiges einfallen lassen, ohne Zappa sogleich gegen den Strich zu bürsten. Gegenüber wem sie diese Verpflichtung eingegangen sind, wird aus den liner notes dieses Albums nicht recht klar. Offenkundig handelt es sich um zwei Personen, die in den 90ern mit dem Zappa-Vertrieb in Frankreich betraut waren, darunter ein gewisser Rémi Raemackers, Autor des Buches *One siDe fits all - clés pour une écoute de Frank Zappa* (editions La Mémoire et la Mer, 2003).

Dieses Duo nun hat mit diesem Projekt LeBocal beauftragt - ein Glücksgriff!

Für uns, jenseits des Rhein, beginnt das Vergnügen damit, viele neue Namen auf dem Monitor zu installieren, die uns bis dato aus keinem französischen Jazz-Unternehmen bekannt waren. Und die *Verpflichtung* quasi zur Werktreue, von der die beiden nicht-künstlerischen Projektleiter raunen, sie mag allenfalls dazu dienen, den berüchtigten Kontrollwahn der Witwe Zappa in L.A. ruhigzustellen.

Schon im Auftakt, *Oh No, Instrumental Version*, lässt sich freilich Thierry Girault, einer der 7 LeBocal-Arrangeure, durch kein Reinheitsgebot aufhalten, das Stück umzustellen: es beginnt dezidiert im 4/4-Takt, die erste der beiden originalen Taktarten (7/4 und 5/4) und damit das Thema taucht erst nach knapp 2 Minuten auf, in einem swingenden Altsaxophon-Part. Das kennt die Ersteinspielung von 1967 nicht, und auch nicht eine Piano Solo-Kadenz von Rita Marcotulli mit einer wunderbaren motivischen Improvisation.

Die italienische Jazzpianistin - so gut habe ich sie noch nicht gehört - bringt gleich zweimal *Little Umbrellas* zum Leuchten, das Kernstück im Hinblick auf Repertoireauswahl und Arrangierkunst des Projektes. Im Original, 1969 auf *Hot Rats* und danach nicht mehr aufgegriffen (das booklet bekommt einen Extrapunkt für die Auflistung aller discographischen Details), im Original wird *Little Umbrellas* in 4/4 heruntergeklampft, im Charakter bestenfalls einer Jazz-Skizze.

Aber, wie man das Stück auch lesen kann, ja welche Steilvorlagen es enthält, welche Jazzsubstanz ihm innewohnt, das kitzelt Cyril Moulas in einer Bemühung heraus, die mehr Re-Komposition denn Arrangement genannt werden darf. Zunächst einmal bringt er das Thema in einem losen Jazz-Walzer zu sich selbst und lässt diesen Teil durch lovely Rita mit einem Solo abschmecken. Wenig später tut sie nämliches über einem double time swing. Im Kontrast zwischen Trio und voller Besetzung, zwischen heulender Gitarre und Bläsern, bewegt Moulas das Thema in Modulen hin und her. Wer will, mag hierin durchaus Zappas Humor hören, quasi in verkapselter, in verschweisster Manier.

LeBocal haben so viele Probleme elegant gelöst, ihre Zappa-Adaptionen gehören zu den originellsten seit langem - aber an Zappas Humor, zumal wo er offen zu Tage tritt, wo´s lustig wird, daran sind sie gescheitert (wie viele vor ihnen). Wenn Ernie Odoom den Mund aufmacht, nicht um das Saxophon an die Lippen zu führen, sondern um zu singen, wird´s peinlich. Wohlgemerkt, in einem andern Kontext käme er damit über die Runden, aber hier, wo Humor als Spielwitz sich ausdrückt, als musikalischer Einfall, wird die Fallhöhe umso deutlicher markiert. Deutlicher auch als die eine oder andere Schwäche seitens der Bläser.

Auf dem schwierigen Feld der Zappa-Rezeption (schwierig, weil in den Originalen so kongenial Komposition und Interpretation sich verbinden) haben LeBocal gewiss einen neuen Standard gesetzt - und nicht irgendein Memorial, wie der Titel der Unternehmung tiefstapelt.


©Michael Rüsenberg, 2004, Alle Rechte vorbehalten