MCCOY TYNER Guitars (**)-(*****) CD+DVD

01. Improvisation 2 (Ribot, Tyner) RIBOT, 02. Passion Dance (Tyner) RIBOT, 03. 500 Miles (trad) RIBOT, 04. Mr. P.C. (John Coltrane) SCOFIELD, 05. Blues on the Corner (Tyner) SCOFIELD, 06. Improvisation 1 (Ribot, Tyner) RIBOT, 07. Trade Winds (Fleck) FLECK, 08. Amberjack (Fleck) FLECK, 09. My favorite Things (Hammerstein, Rodgers) FLECK, 10. Slapback Blues (Tyner) TRUCKS, 11. Greensleeves (trad) TRUCKS, 12. Contemplation (Tyner) FRISELL, 13. Boubacar (Frisell) FRISELL, 14. Baba Drame (Traore) FRISELL

McCoy Tyner - p, Ron Carter - b, Jack DeJohnette - dr, Marc Ribot, John Scofield, Derek Trucks, Bill Frisell - g, Bela Fleck - banjo

rec 07.09.06 + 25.09.06
Rough Trade/HalfNote HN 4537; LC-Nr 02619

Bei einem Musiker, dessen Lebenswerk mit Albumtiteln wie "saxophones" und "piano trios" treffend beschrieben wäre, muß "guitars" wie ein Pistolenschuß wirken. So fern scheint McCoy Tyner diesen Kollegen der anderen Saite(n) zu sein, auch in unserer eigenen Erinnerung, dass der Produzent John Snyder behaupten darf, McCoy Tyner habe bis dato noch nie mit Gitarristen gearbeitet.
Das ist Quatsch!
1989 liegt ein Album vor, "Things ain´t what they used to be", worauf
John Scofield just mit dem "Blues on the Corner" vertreten ist, den er auch für "guitars" mit Tyner wieder eingespielt hat.
Abgesehen von diesem Fehler, der einem erfahrenen Produzenten wie John Snyder nicht hätte unterlaufen dürfen (wo war McCoy? Liest er die
liner notes nicht?), ist die Idee für diese Produktion vielversprechend - die Ausführung aber meist nicht!
John Scofield und Bill Frisell klingen dünn und fahrig; das ist nicht nur Resultat des Mixes, sondern sie spielen auch so.
Marc Ribot wirkt ungelenk wie immer (wer hat ihn eigentlich in diese Liga berufen?), insbesondere die beiden "freien" Improvisationen im Duo sind eine peinliche Karrikatur dessen, was diese Gattung in gutenen Moment zu leisten imstande ist.
Die einzig erfreulichen Beiträge kommen ausgerechnet von denen, die unter der Auswahl an Saitenspielern einem wie auch immer verstandenen Jazz am fernsten stehen:
Bela Fleck und Derek Trucks.
Das Banjo mit seinem Spring-ins-Feld-Sound mutet zunächst fremd wie eine Karrikatur neben den wuchtigen Quart-Akkorden von McCoy Tyner an, es wird aber mit einer solchen Kompetenz & Lebendigkeit gespielt, dass dieser Eindruck rasch verfliegt. Bela Fleck setzt sich durch, auch klanglich, und vermutlich, weil das ähnlich auch schon im Verein mit
Chick Corea der Fall war, hat man ihn hier eingeladen. Eine gute Wahl.
Die größte Überraschung aber ist Derek Trucks, ein blasser Jünglich mit hellblondem Zopfhaar, ansonsten in Diensten der
Allman Brothers, vulgo des Blues-Rock. Trucks stellt eine bemerkenswerte slide guitar Technik aus, mit sehr kurzen glissandi, die sich nicht nur klanglich, sondern auch ästhetisch gut gegen das Kerntrio behauptet.
Wer McCoy Tyner vor ein paar Monaten auf seiner Tournee erlebt hat, wir die Wahl der Rhythmusgruppe unbedingt begrüßen. Aber hier bleibt sie zu einem Einsatz mit quasi
angezogener Handbremse verurteilt, weil der große Meister, demnächst siebzig, nach seiner Erkrankung nicht nur an Körpergewicht, sondern in vielleicht gleichem Maße auch an Artikulationskraft verloren hat. Nichts mehr bleibt von der Energie, von dem Rausch, den an der Seite von John Coltrane und später auf zahleichen eigenen Aufnahmen erzeugt hat.
Und wer die beiliegende
DVD einlegt - der bekommt die entsprechenden Bilder als Beleg dazu. Da ist nun wirklich gar nichts von der knisternden Spannung, die die Akteure im Begleittext zu Protokoll geben, es sind eher Ratlosigkeit und Routine zu sehen. Die Wackelkamera fängt Bilder ein, in denen McCoy Tyner alles andere als ein Bandleader dasteht. Die ästhetische und technische Qualität ist schamlos schlecht - man sieht McCoy Tyner reden ("McCoy´s Thoughts"!), aber man hört ihn fast nicht, die Mikrofonierung ist falsch.
Was man da sieht, will man gar nicht wissen. Selten, vermutlich nie zuvor, hat die visuelle Begleitung einer Studiositzung dieser so sehr geschadet wie hier.

erstellt: 20.10.08

©Michael Rüsenberg, 2008, Alle Rechte vorbehalten