HEINZ SAUER - MICHAEL WOLLNY Don´t explain Live in Concert ********

01. All blues (Miles Davis), 02.Nothing compares 2 U (Prince), 03. Don´t explain (Holiday),04. Wenn der Pastor im grünen Hemd (Sauer), 05. Open Fields (Saiuer, Wollny),06. There again (Wollny), 07. Make you feel my Love (Dylan), 08. Believe Beleft Below (EST), 09. Space Cake (Wollny), 10. Kind of Blues (Sauer, Wollny)

Heinz Sauer - ts, Michael Wollny - p

rec. 02.09.2012
ACT 9549-2; LC 17644

They did it again. Nach 11 Jahren kehren Heinz Sauer und Michael Wollny in die Stadt zurück, in der sie zum ersten Male aufeinander trafen, damals im Literaturhaus, jetzt in der Stadtkirche Darmstadt.
Zwar haben sie sich nicht rar gemacht über die Jahre, weder auf den Bühnen noch im Studio, dies ist schon ihr 4. gemeinsames Album. Aber 11 Jahre? So lang will der Zeitraum gar nicht scheinen.
Und noch ein Paradox: nicht alle älteren deutschen Jazzmusiker machen derzeit eine gute Figur - Sauer aber, der älteste (am zweiten Weihnachtstag 2012 wird er 80!) erscheint als ungebrochen vital.
cover-sauer-wollny-liveNetzer, wie bekannt, kam seinerzeit „aus der Tiefe des Raumes“. Sauers Tenor steht in „All Blues“ ganz vorn, aber es tönt, als habe es einen ganzen Hafen im Hintergrund. Herrschaften, was für ein Klang! Alles Eloquente geht ihm ab, er ist vielfarbig vokal, aber doch von einer Brüchigkeit, als traue er sich nicht recht, vollständig zu formulieren, was er im Kopf hat. Lieber pars pro toto als auch nur eine Spur zu elegant wirken.
Was für ein Gewinsel bietet dagegen der Herr Brönner, der seine große Technik in Dienst stellt, um ein Fußnötchen der Jazzgeschichte nachzuäffen.
„All Blues“ dauert knapp 7 Minuten, erst bei 2:43 treffen Sauer & Wollny bei einem vertrauten Formelement des Songs zusammen.
Heinz Sauer wird vermutlich gar nix von Branford Marsalis´ Verdikt halten, Prince könne man nicht auf dem Saxophon spielen. Seit 2005 führt er vor, dass es geht, und hier tut er es erneut. Wahrscheinlich meint Marsalis, dass die Themen zu banal sind für eine klare Intonation. Sauer aber geht „Nothing compares 2 U“ ganz anders an, er springt in ein hohes Register, wie ein Schmerzensmann, der Mühe hat, die tonalen Stufen abzuschreiten, die doch jeder kennt. Und er trifft sie alle, aber bald jede in einer anderen Tonfärbung.
„Nothing compares 2 U“ ist das erste Stück, wo Michael Wollny die Klaviersaiten - wenigstens stellenweise - präpariert. Er wird das später in seinem eigenen „Space Cake“, einem Stück mit einer herrlichen Kürzel-Melodik und vielen stop times; und wenn man meint, es sei vorbei, kippt es im letzten Drittel in eine süffige Blues-Coda. Auch hier schwingt wieder der ganze Kirchenraum mit. (Den Schluß markiert dann wirklich ein kurzer Blues.)
Aber vergessen wollen wir nicht das klug gestaltete Mittelfeld, ab „Open Fields“ mit seinen „punkigen“ Piano-Achteln, der leise geschrieenen Melodik von Dylan´s Ballade „Make you feel my Love“ und „Believe Beleft Below“ von EST mit seinem pastoralen Thema, das klingt, als sei es für dieses Tenorsaxophon geschrieben - das reifste, vokalste, das der europäische Jazz seit Jahren zu bieten hat.

erstellt: 10.12.12
©Michael Rüsenberg, 2012. Alle Rechte vorbehalten