BREVE feat JOHN TAYLOR Live at Plush *********

2007 Concert:
01. Patche (Penman), 02. Pure and Simple (John Taylor), 03. A Flower is a lovesome Thing (Strayhorn), 04. Augmented Ballad (Chisholm), 05. New Old Age/Dawn (Taylor/Wogram), 06. Summer Nights (Warren, Dubin)
2008 Concert:
01. Year Old Telegraph (Penman), 02. So it goes (Taylor), 03. In Daylight Mourning (Chisholm), 04. Sly Eyes (Wheeler), 05. Slow Gambol (Penman), 06. How deep is the Ocean? (Irving Berlin)

Hayden Chisholm - as, John Taylor - p, Matt Penman - p

rec ?/2007 + 04.09.2008
download only: 2 Konzerte plus Video, 9.99 £

Plush. Der Begriff ist vieldeutig. Eine Band aus Bamberg heißt so, ebenso das Label des in Paris ansässigen englischen Schlagzeugers Steve Argüelles, der - Zufall des Schicksals - als Siebzehnjähriger dilettiert hat (seine eigenen Worte) bei dem Pianisten, der diese Produktion zu einem Erlebnis macht: John Taylor.
„Live at Plush“ ist unverwechselbar, eine - dem Aufnahmeort zum Trotz - Preziose der Jazz-Kammermusik, die ihresgleichen sucht. Verwandtschaft lässt sich freilich im gleichen Lande finden, bei Acoustic Triangle (Gwilym Simcock, Tim Garland, Malcolm Creese), vor allem bedingt durch den Umstand, dass auch dieses Trio in Kirchen produziert.
„Live at Plush“ ist entstanden bei dem gleichnamigen Festival in der Kirche St. John Baptist in Plush, einem Dorf in Dorset, das ist südwest-englische Provinz, unweit des zungenbrecherischen Bournemouth. Breve war das erste Jazz-Ensemble innerhalb sommerlicher Klassik-Festivals, die der Cellist Adrian Brendel (Sohn des berühmten Pianisten Alfred Brendel) in Plush veranstaltet.
Wer die Webseite besucht, wer die Videos sieht aus St. John, der sanften Hügellandschaft umher, dem fällt es leicht, an diesen Ort sich zu versetzen, wo entspannt und hoch-konzentriert Musik atmen kann.
Breve, die Idee zu diesem Trio ist an der Musikhochschule Köln entstanden - etliche Jahre, bevor es dann 2007 in der Dorfkirche zu Plush in England wirklich erstmals zusammengetreten ist. John Taylor hat damals an der Musikhochschule Köln unterrichtet, Hayden Chisholm war unter seinen Schülern, es kam aber nie zu einer öffentlichen Zusammenarbeit. Chisholm, eine Generation jünger als Taylor, stammt ebenso aus Neuseeland wie der Bassist Matt Penman, beide kennen sich seit 10 Jahren aus einem der europäischen Top-Jazzensembles, Root 70.
Breve ist ihr Projekt, es hat wenig von Root 70, die Themen sind einfacher, der konzeptionelle Aspekt tritt deutlich zurück. Breve ist Interpretation, Interpretation, Interpretation. Da haben sich drei Stimmen gefunden: der versierte Bassist, der Altsaxophonist mit einem flötenhaften Ton, häufig beinahe ansatzlos schwebend, und der komponierende Pianist, der aus einer Ballade ein leises Drama zu machen versteht.
Kammermusiker, wenn sie denn Zeugen waren in St. John Baptist, werden erbleicht sein ob des Fließens dieser Musik, der dahin getupften Töne, dieses kollektiven Auskostens des Momentes, dem kein Notenpapier die Richtung weist, ob dieser Schönheit. Selten hat man eine vollkommen tonale Musik gehört, der rein gar nichts fehlt, nichts an Tempo - und schon gar nicht ein Schlagzeuger. Das, was sie an Rhythmus braucht, kommt aus ihr selbst, den Jazz-Besen kann man sich dazu denken.
„A Flower is a lovesome Thing“, der alte Schinken von Billy Strayhorn hat noch nie so geklungen, er wird so langsam zelebriert, als sollte ein jeder Zuhörer das Thema mit buchstabieren können.
Wo John Taylor, da wird oft Kenny Wheeler gespielt, hier einer seiner Tangos („Sly Eyes“), und da sind seine eigenen Stücke: das wunderbar modulierende, schreitende „New Old Age“, das in ein Wogram-Stück von Root 70 hinübergleitet ("Dawn). Seine große Kunst, auf einem gemäßigten Tempo mit Motiven zu jonglieren, sie zu dehnen, zu raffen, zu drehen, demonstriert er in „Pure and Simple“ (eine frühe Version findet sich auf seinem Trio-Album „You never know“, 1992). Eine solche Brillianz, eine solche Süffigkeit, erreicht nicht mal Acoustic Triangle: hier haben sich drei Meister gefunden!
Wer Interaktion des modernen Jazz studieren will, kriegt hier knappe 10 Minuten lang Mund und Ohren nicht mehr zu. Welcher Farbreichtum allein in Chisholms Alt liegt, wie Penman punktum da ist, wenn Taylor eine Pirouette dreht - unfassbar. Sowas dürfte nie vergehen.
Kontemplation - Dein Name ist Breve!

erstellt: 25.03.10

©Michael Rüsenberg, 2010, Alle Rechte vorbehalten