JON IRABAGON The Observer ****

01. January Dream (Irabagon), 02. Joy´s Secret, 03. The Infant´s Song (Gig Gryce), 04. Cup Bearers (Tom McIntosh), 05. The Observer (Irabagon), 06. Acceptance, 07. Makai and Tacoma, 08. Big Jim´s Twins, 09. Barfly (Elmo Hope), 10. Closing Arguments (Irabagon) 


Jon Irabagon - as, ts (5,7), Nicholas Payton - tp (2,8), Kenny Barron - p, Bertha Hope - p (9), Rufus Reid - b, Victor Lewis - d


rec. 19.+21.05.09
Universal/Concord 0888072313194; LC 15025

Wer sich an den Mann neben Peter Evans erinnert, beim Moers Festival 09, bei Mostly Other People Do The Killing, der tut sich schwer mit diesem, seinem zweiten Album in eigener Regie. Optisch geht die Identifizierung noch gerade hin: man hat Jon Irabagon, im piekfeinen Anzug wie in Moers, in das Holocaust-Denkmal Berlin montiert (allein, wo & wie er da steht, einen halben Kopf unterhalb des Stelen-Plateaus, entspricht eher das obenauf placierte Altsaxophon der Titelrolle, „The Observer“).
Das Auftaktstück dann ... es legt erst recht eine Verwechslung nahe. Nicht nur, dass der, der Irabagon sein soll, hier das Alt einsetzt (wo er doch in Moers durchgängig Tenor spielte), vor allem der müde midtempo swing, durch den er sich und seine Begleiter schleppt, wirkt, als sei der jungen Mann um vierzig Jahre gealtert. Sprung in track 2 - das gleiche Bild! Da ist nichts, aber auch gar nichts von der Strahlkraft, die erfahrungsgemäß einen Nicholas Payton auszeichnet.
Ist ein krasserer Widerspruch denkbar zwischen dem „Dream Team“, das der Gewinner der Thelonious Monk International Jazz Competition 2008, Jon Irabagon, sich hat zusammenstellen dürfen und dem, was es hier an weitgehend lustlosem Dienst abliefert? Kenny Barron und Victor Lewis klingen wie im Ruhestand!
Nach gut & gerne 13 Minuten will das Ohr aufmerken - ein Ton auf dem Alt in der Ballade „The Infant´s Song“, vibrato-arm und kraftvoll, sicher durchphrasiert bis ins obere Register. Das ist nicht alltäglich, da klingt etwas durch von der guten Ausbildung, Handwerk und Ehrgeiz dieses Musikers philippinischer Abstammung, in Chicago geboren, mit Abschluß in Musikwirtschaft und -journalismus dort und später einem Master an der Manhattan School of Music in New York City, wo er seit 2001 lebt.
Mit „Cup Bearers“ gewinnt diese Unternehmung an Fahrt, man hat sich eingehört in diesen durchweg eigenen Alt-Ton. Aber er steht in einem Kontext geradezu erschreckender Konvention, weit unterhalb des Levels, das dieser Post-Bop seit Jahren als selbstverständlich erachtet. Es fehlt ihm vollständig Feuer & Flamme, die Respektlosigkeit sowieso, mit der Mostly Other People Do The Killing so herrlich über die Stränge schlagen.
Hier hat ein talentierter Instrumentalist zwar seine Namenskarte abgegeben, aber deren Rückseite ist weitaus aufregender.

erstellt: 05.01.10

©Michael Rüsenberg, 2010, Alle Rechte vorbehalten