CHICK COREA The Ultimate Adventure ****

1. Three Ghouls, Parts 1-3 (Corea), 2. City of Brass, 3. Queen Tedmur, 4. El Stephen, Parts 1-2, 5. King & Queen, 6. Moseb the Executioner, Parts 1-3, 7. North Africa, 8. light from Karoof, Parts 1-2, 9. Planes of Existence, Part 1, 10. Arabian Nights, Parts 1-2, 11. Gods & Devils, 12. Planes of Existence, Part 2


Chick Corea -
keyb, Frank Gambale - g, Jorge Pardo - fl, ss; Tim Garland - ts, bcl; Hubert Laws - fl, Carles Benavent - bg, Steve Gadd, Vinnie Colaiuta, Tom Brechtlein - dr, Airto Moreira, Rubem Dantas, Hossam Ramzy - perc

rec 2005 (?)
Universal/Stretch 0013431904526; LC-Nr 04643

Ein Jazzmusiker, dessen Spuren verwischfest in der Jazzhistorie verankert sind, der kurz vor seinem 65. Geburtstag sein neues opus "Das grösste Abenteuer" betitelt, setzt sich der Frage aus, ob er einen
ironischen Impetus nicht ein wenig genauer hätte portionieren können.
Wenn diese Celebrität freilich auf den Namen "
Chick Corea" hört (und damit zu einer völlig ironiefreien Spezies zählt), kann dahinter wieder mal nur sein geistiger Mentor Ron L. Hubbard vermutet werden, der Begründer der Scientology-Sekte. Corea, der falsche 68er (seit jenem Jahr will er von jenem "inspiriert" sein), bezieht sich, wie mit dem Vorgänger-Album "To the Stars", auch mit seinem jüngsten auf eine Prosa-Vorlage von Hubbard, nennt sie gar alt-europäisch ein "Ton-Poem".
Nun mag
glauben, wer will, ob das akustische Geschehen in irgendeiner Form die "Fantasy Story" gleichen Titels wiederspiegelt - unsereins tut das nicht. Unsereins hat immer schon den Musiker Corea von dem Glaubensbruder gleichen Namens unterschieden, weil aus seinen Klängen kein Glaubensbekenntnis spricht, sondern ein kompositorisches und interpretatorisches Talent jazzhistorischen Ranges - früher mehr als heute.
Und so könnte man denn auch "The Ultimate Adventure", von allem Talmi entkleidet, als "
mid seventies revisited" bezeichnen, denn stil-geschichtlich führt diese Reise zu Corea´s Jazzrock-Aufnahmen wie "The Leprechaun" (1975), "Secret Agent" und "The Mad Hatter" (beide 1978) und vor allem "My spanish Heart" (1976). Denn hier wie dort geruht Meister Corea, seine Liebe für die spanische und afrikanische Musik zum Ausdruck zu bringen, noch dazu mit dem fast identischen Personal von einst.
Und wer die Vergleichsalben nicht heranziehen kann, weil er zu jung ist oder damals knapp bei Kasse, der wird - ohne Frage - sein Vergnügen an der Meisterschaft finden, mit der hier
Flamenco- und nord-afrikanische Einflüsse umspielt werden. Die Aufnahmetechnik ist exzellent, das handwerkliche Vermögen der Musiker ebenso.
Wer beispielsweise noch nie im Delikatessengeschäft von der snare-drum-Technik eines
Steve Gadd gekostet hat, der wird sich daran laben. Das tut unsereins ebenso - nur wundert sich unsereins eben auch recht schnell, in welch leidenschaftslose Aufführung die Herren Gadd & Colaiuta & Brechtlein hier geraten sind. Das hat nichts mehr von dem Feuer & der Dramatik, wie sie die damaligen Aufnahmen kennzeichneten; nicht eines der zahlreichen Soli von Chick Corea reicht an sein künstlerisches Niveau von einst. Wer dann auch wirklich die Duos von Gadd & Corea aus "My Spanish Heart" noch einmal heranzieht, der möchte auf der Stelle den Wilfried Schmickler aus den "Mitternachtsspitzen" geben: Hören Sie doch auf, Herr Becker...pardon: Corea!

erstellt: 01.04.06

©Michael Rüsenberg, 2006
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