Der Jazzklarinettist Theo Jörgensmann nannte ihn einmal „Pater Ulrich von der reinen Intonation“.
Das war sehr witzig. Aber auch so treffsicher (und so wenig zynisch), das hätte auch von Volker Kriegel stammen können.
Um sogleich mit einem echten Kriegel-Diktum fortzufahren: unter den deutschen Jazzkritikern war Ulrich Olshausen zweifellos „eine Einzelanfertigung“.
Sein besonderes Ohrenmerk galt halt dem exakten Treffen der Töne. Wer meint, das hätte ihn auf alle Zeiten vom Blues oder sonstigen offpitch-Aktvitäten im Reich der afro-amerikanischen Musik ausgeschlossen, macht sich eine falsche Vorstellung vom Panorama seiner ästhetischen Aufmerksamkeit.
Er hat, selbst lange schon Radio-Jazzredakteur in Frankfurt, unter der Ägide von Joachim Ernst Berendt in der legendären SWR2-19:30-Uhr-Sendestrecke Folktime moderiert. Er konnte en detail über Kate & Anna McGarrigle sprechen, aber auch über Gentle Giant oder Johnny Winter. Und zusammen mit seiner unvergessenen Ehefrau Egizia Rossi diskursiv einen unglaublichen „insalada musica“ anrichten.
(Tatsächlich aufgetischt wurde sonntags zum Frühstück in Bergen-Enkheim, wir durften in den 80ern gelegentlich mitkosten, Porree-Ei, angerichtet vom Hausherrn).
Er war es, der am 24. März 1968 in Frankfurt, auf der Bühne des Deutschen Jazzfestivals (dessen Programm er jahrelang mitveranwortet hat), die Uraufführung von Peter Brötzmanns „Machine Gun“ anmoderiert, und dies keineswegs mit Abscheu.
Gleichwohl fungierte nicht er als der Praeceptor des FreeJazz, namentlich von Peter Brötzmann, sondern Manfred Miller (1943-2021), in der berühmt-berüchtigten TV-Debatte „Free Jazz - Pop Jazz? Unverständlich oder populär?“, an einem Freitag im Sommer des Jahres 1967, in der ARD, an Werner Höfers Frühschoppentisch.
Er war der unaufgeregt Abwägende in der Mitte - eine Position, die man auch seiner Tätigkeit als Jazzkritiker zuschreiben möchte. Ein Radiomann, der schreiben kann (meist in der FAZ), einer der wenigen aus dem ARD-Jazzredakteursgremium, dem die Betreuung von Sendungen und Ensembles (hier das hr-Jazzensemble) nicht genügte, der in Konzerte ging und urteilte.
Ein Mann von und mit Stil, hochgewachsen, ein Solitär, der Olshausen eben.
Begonnen hatte er auf der anderen Seite des Mikrofons, als Tontechniker mit ordentlicher Ausbildung in Nürnberg, 1955-57.
Vom Fagott schwenkte er in die Musikwissenschaft um, an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt; dortselbst 1963 Promotion mit dem Thema „Das lautenbegleitete Sololied in England um 1600“.
Dann wieder hr, zunächst als Tontechniker, ab 1967 (bis 1999) Leiter der neu geschaffenen Jazzredaktion.
Parallel dazu, ab 1963 und bis bis knapp ins neue Jahrtausend, Rezensent für die FAZ. Man las ihn ausgesprochen gerne.
Dr. Ulrich Olshausen, geboren am 17. August 1933 in Neuenbürg (Nordschwarzwald), verstarb am 30. November 2024 in Frankfurt/Main. Er wurde 91 Jahre alt.
erstellt: 02.12.24
©Michael Rüsenberg, 2024. Alle Rechte vorbehalten