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It´s been 55 years ago (yester)day…

…that the Isle Of Wight Festival ended.
Das Festival vor der englischen Südküste, nur wenige Kilometer vor Portsmouth, historisch im Rezeptionsschatten von Woodstock (1969), mit über 600.000 Besuchern aber das größere von beiden (Rock)Festivals.
Williams Isle of Wight   1Wer sich das line up der Tage vom 26. - 30.08.70 anschaut (insbesondere das der letzten beiden Tage), dem darf auch im Nachhinein noch blümerant werden.
Etliches davon steht im Netz, z.B. Jimi Hendrix oder Miles Davis (mit Chick Corea, ep, und Keith Jarrett, der seine E-Orgel so hasst, der er sie nur mit Sonnenbrille anblickt).
Wie aber kommt man von der Insel wieder weg? Insbesondere als Kritiker, der am Montag mittags wieder in der Fleet Street sein muss (those were the days…)
Richard Williams, Chef des Jazzfest Berlin 2015-17, war damals für den Melody Maker vor Ort, zusammen mit Geoffrey Cannon vom Guardian.
Letzterer hatte eine brillante Reiseidee. Er rief die Flugschule in Portsmouth an.
Morgens um 6 Uhr fanden sie sich am Flugfeld von Bembridge ein.
(heute vor 55 Jahren, Williams hat doch tatsächlich den Beleg aufbewahrt, über 9 Pfund und 6 Shillings)
Ein Helicopter wartete startbereit - nicht für sie, sie erwarteten eine einmotorige Cessna. Aber für den, der noch in der Bühnenkleidung von wenige Stunden zuvor, neben ihnen einer Limousine entstieg.
Now read on.

erstellt: 31.08.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Sheila Jordan, 1928-2025

Sheila Jordan in 1985Charlie Parker taufte sie „the lady with the million dollar ears“, auf seinen Rat hin zog sie nach New York City.
Von 1952-62 war sie mit dem Parker-Pianisten Duke Jordan in einer schwierigen Ehe verbunden.
„Der Widerstand, dem ein gemischtrassiges Paar in diesem Jahrzehnt in Amerika ausgesetzt war, kann kaum überschätzt werden“, betont der US-Journalist Nate Chinen in seinem Nachruf.
Ihr Jazz-Abitur hat sie auf keinem zertifizierten Bildungsweg abgelegt, sondern als Schülerin von Lennie Tristano und Charles Mingus, den große Rest durch learning by doing, häufig auf den klassischen Jazzbühnen.
Dort glänzte sie durch flexiblen Scat-Gesang, auch das Modifizieren von Song-Lyrics.
Bebop war und blieb ihre bevorzugte Rahmenhandlung; sie hat sie gelegentlich verlassen, z.B. für George Gruntz oder für Carla Bleys legendäres „Escalator over the Hill“.
Sie blieb aktiv bis ins hohe Alter, ja sogar bis ins Frühjahr 2025. 
Ein bevorzugtes Format: das Duo mit einem Bassisten, häufig Cameron Brown, über fünf Jahrzehnte mit Harvie S.
Sheila Jordan, geboren am 18. November 1928 in Detroit, verstarb am 11. August 2025 in ihrer Wohnung auf der West 18th Street in Manhattan.
Sie hatte dort seit den 50er Jahren gelebt. „Charlie Parker, Clifford Brown, Paul Chambers, Charles Mingus - sie alle waren da“, sagt Harvie S.

Sheila Jordan wurde 96 Jahre alt.
Sie schlief friedlich ein, wie ihre Tochter Tracy ergänzt, während ihr ein Bebop-Stück ihres letzten Ehemannes Marcus Belgrave (1936-2025) vorgespielt wurde.

Ihre letzte Ruhestätte wird sie in bester Nachbarschaft finden, dort wo bereits Miles Davis, Duke Ellington, Max Roach, George Wein u.a. bestattet sind, im Jazz Corner der Woodlawn Cemetery in der Bronx.

Foto: Sheila Jordan, San Francisco, 1985 (©Brian McMillen CC BY-SA 3.0)
erstellt: 12.08.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Goodbye Spotify

Jasper Hoiby, 48, dänischer, in London lebender (und an der Royal Academy lehrender) Bassist, macht, woran etliche JazzmusikerInnen schon gedacht haben: er zieht seine Musik von der Streaming-Plattform Spotify zurück.
In seinem jüngsten newsletter begründet er seinen Entschluß in vier Schritten.
Jasper HoibyDen anfänglichen Anspruch von Spotify, im Gegensatz zu Napster etc., eine legale Plattform zu bieten, mittels derer Konsumenten ihre favorisierten Künstler direkter unterstützen könnten, hält er für eine „Lüge“ und vielfach widerlegt.
Spotify sei, zweitens, in letzter Zeit „so selbstbewusst geworden, was die Ausbeutung der Urheber angeht“, dass es die Tantiemen aus allen den Stücken selbst behält, die weniger als 1.000 Aufrufe pro Jahr erreichen. Das seien immerhin 86 Prozent aller auf der Plattform. Und träfe auf die meisten Jazz-tracks zu.
Drittens habe Spotify feste Monatsgehälter mit Komponisten ausgemacht, die dafür ihre Urheberrechte an die Plattform abtreten und „so viel banale Musik wie möglich“ produzieren.
„Diese Musik wird nun in ihren Playlists priorisiert und gepusht, damit sie das Geld einstreichen können, das sonst an echte Künstler und Komponisten gegangen wäre.“
Hoibys vierter Grund: dass Co-Gründer und Hauptanteilseigner Daniel Eek jüngst 600 Mio Dollar in eine KI-Waffenproduktion investiert habe, wie schon 100 Mio Euro 2021 in ein ähnliches Unternehmen in Helsinki.
„Wie alle, die in Waffen investieren, schmücken sie es mit schönen Schlagworten wie ´Verteidigung´ und ´Schutz´“.
Vor zwei Jahren sicherlich, aber ob ihm heute alle seine Anhänger in diesem Punkt folgen?
Er zieht sich freilich nicht vollständig zurück; man kann ihn weiterhin streamen (über Apple, Deezer, Tidal usw) und seine Alben weiterhin online kaufen (über Bandcamp oder die Webseite von Edition Records).
Zum Teil auch weil es immer schwieriger werde, überhaupt mit Musik Geld zu verdienen, bietet er nun auch das Notenmaterial zu seinen Kompositionen zum Kauf an.
„Wenn Sie sich das aus irgendeinem Grund nicht leisten können, wenden Sie sich gerne an uns, vielleicht finden wir trotzdem eine Lösung“.

erstellt: 08.08.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Hal Galper, 1938-2025

Hal GalperAls die Todesnachricht kam, sogleich wieder „Now hear this“ aufgelegt, das Studioalbum vom 15.02.1977 - weil Tony Williams dort mitspielt.
Die Erinnerung trügt nicht. Die Post geht ab, insbesondere in den beiden Eckstücken: „Now hear this“ zum Auftakt und „Red Eye Special“ zum Ausklang, der Herr Tony treibt das Quartett (mit Terumasa Hino, tp) vor sich her; lediglich Cecil McBee erstaunt mit eigentümlicher Intonation am Kontrabaß.
Der Bandleader segelt stilistisch in der breiten Spur von McCoy Tyner.
Und er zuckt nicht mal zusammen, als ein Schüler namens Ethan Iverson, damals 17, ihn 1991 darauf anspricht:
„Ich habe lange Zeit wie McCoy Tyner gespielt, weil dieser Stil populär war, aber dann kehrte ich zu meiner frühen Liebe zurück, zu Tommy Flanagan, Wynton Kelly und vor allem Ahmad Jamal.“
Das Zitat stammt aus der jüngsten Ausgabe von Iversons blog „Transitional Technology“, worin er die Todesnachricht verbreitet.
Der heute gefeierte Pianist & Theoretiker nahm damals an einem Galper-Workshop teil. In dieser neuen Ausgabe von TT kramt er ein paar memorable Zitate hervor, u.a. die ihm damals unverständliche Aussage von Galper:
“Ich hatte einen Auftritt mit einem ehemaligen Schüler. Er kann zwar Changes spielen, aber er spielt immer noch keinen Jazz.“ Ist Jazz nicht Improvisation? Und wenn Changes (Harmoniewechsel) vorgegeben sind und jemand darüber improvisiert - dann muss es sich doch um Jazz handeln, oder?
„Aber heute würde ich eher zu Hals Ansicht tendieren, die besagt, dass ´echter´ Jazz weniger rein improvisiert und eher einer spezifischen Sprache ist.“
Vermutlich inspiriert durch „Now hear this“ lädt George Gruntz das Hal Galper Quintet am 04.11.77 zu den Berliner Jazztagen ein. Der Mitschnitt („Live at Berlin Philharmonic“) erscheint erst 2021. Und man kommt aus dem Staunen nicht heraus, was da los ist/war (selbst eingerechnet seine Mitwirkung am Studioalbum „Rough House“ von John Scofield, aufgenommen am 27.11.1978 Zuckerfabrik, Stuttgart).
Was für ein Abflug mit Mike und Randy Brecker im Cockpit, dem Bandleader in Topform, ebenso die Rhythmusgruppe mit Wayne Dockery, b, und Bob Moses, dr.
Wenig später schüttelt Galper den McCoy Tyner-Einfluss ab. Und als viele Jahre später der Schüler Iverson den verehrten Dozenten doch wieder in dieser Spur „erwischt“, entgegnete jener, peinlich berührt, „Ich wollte nur sehen, ob ich es noch kann“.
Galper war schon vor den Gebrüdern Brecker in New York City gelandet. Er spielt auf Randys Debüt-Album „Score“ (1969), gehört aber später nicht zur Entourage der eigentlichen Brecker Brothers Band.
D.h. er war kein Kostverächter des Binären; er hatte schon den mitunter knochentrockenen Funk von Cannonball Adderley hinter sich, 1973-75, als Nachfolger von George Duke.
Gleichwohl erlebte man ihn später in ternären, sprich swingenden Formationen des Jazz, u.a. 10 Jahre bei Phil Woods.
Das Swingen (noch eine Anekdote aus der Erinnerung von Ethan Iverson) musste er sich durch eine Fehlkalkulation selbst beibringen. Er hatte zu dieser Lektion auf keinen Geringeren als Philly Joe Jones gehofft - der aber erwies sich auf der Bühne als eiskalt:
„Mit Philly Joe Jones spielte ich total zickig. Ich musste erst lernen, selbst zu swingen. Ein großer Schlagzeuger kann dir nicht helfen."
Sein bevorzugtes Format bis in die 2010-er Jahre war das Trio, meist mit Jeff Johnson, b, und John Bishop oder Steve Ellington, dr.
Galper, der von 1955-58 die Berklee School of Music in Boston besucht hatte, war selbst ein erfolgreicher Jazz-Educator, u.a. gehörte er zu den Gründern der New School of Jazz and Contemporary Music in New York.
Harold "Hal" Galper, geboren am 18. April 1938 in Salem/MA, verstarb am  18. Juli 2025 in Cochecton/NY.
Er wurde 87 Jahre alt.

erstellt: 20.07.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Al Foster, 1943-2025


al fosterBevor man ihn physiognomisch sicher identifizieren konnte, sprach von weitem schon das Instrument für ihn: die Cymbals hoch, sehr hoch; rechts das Ride-Becken, links ein China-crash.
Die Becken hoch, der Mann sitzt tief.
1972 wurde er von Davis berufen, als Nachfolger von Jack DeJohnette. Von dem er sich stilistisch hinreichend unterschied. Wir erinnern einen mächtigen Rockbeat, aber „federnder“ als der von DeJohnette.
Kaum vorstellbar, dass jenem Jahre später die schlanken patterns auf „The Man with the Horn“ (1980) und „We want Miles“ (1981) so von der Hand gegangen wären wie Foster, z.B. die snare-Akzente von „Back Seat Betty“ oder der Reggae von „Kix“.
Die „federnde“ Ästhetik von Al Foster, sowohl in binären (Funk) als auch ternären (swing) Grooves, darauf einigen wir uns sogleich mit unserem Trommlerfreund Frank Samba. Einem, dem das Markieren der Unterschiede genauso am Herzen liegt wie jazzcity.de
Und dann betont er noch ein anderes Spezifikum, eine Korrektur des von Ethan Iverson als „reverse hi-hat“ in die Debatte geworfenen weiteren signiture sounds von Al Foster. Zu kompliziert, um hier dargelegt zu werden, aber eben doch ein Detail, die spezifische hi-hat-Ästhetik, die wohl Ruf & Rang dieses Schlagzeugers miterklärt.
Der sein großes Renomee zahllosen sideman-Jobs und eben nicht den nur acht Unernehmungen unter eigenem Namen verdankt.
Ein Mann der Praxis, der weder Berklee noch eine andere Kaderschmiede des Jazz von innen gesehen hat, ein Autodidakt, geboren in der US-Provinz, aufgewachsen in Harlem.
Sein Plattendebüt war 1964 mit dem Trompeter Blue Mitchell, seine Karriere zieht einen weiten Bogen mit Stationen bei historischen Größen, bei Joe Henderson, McCoy Tyner, Sonny Rollins, Herbie Hancock.
Bei aller Vielseitigkeit, seine Vorliebe gehörte den swingenden Grooves. Und er, der als einziger mit Miles sowohl vor als auch nach dessen Rückzug aus der Öffentlichkeit in der zweiten Hälfte der 70er gespielt hat, darf sich als Verdienst anrechnen, jenen, der nicht mehr swingen wollte, dann doch noch, auf „Amandla“ (1989), zu einem swinger überredet zu haben: zu „Mr. Pastorius“, gewidmet dem Monate zuvor verstorbenen Baßgitarristen.
Unter anderen Umständen wäre „Mr. Foster“ sicher treffender gewesen.
Aloysius Tyrone "Al" Foster, geboren am 18. Januar 1943 in Richmond/VA, starb am 28. Mai 2025 in New York City. Er wurde 82 Jahre alt.

Blackman Foster

tradin´ fours:
Cindy Blackman, Al Foster,
Tony Williams, Jimmy Cobb 

 

erstellt: 30.05.25, korrigiert 31.05.25,
ergänzt 02.06.025

©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Christian Rentsch, 1945 - 2025

christian rentsch   1Was haben wir zusammen gelacht! Was haben wir uns gestritten!
Im Januar 2024 unterhielten wir uns - was keiner bei Annahme des Anrufes ahnte - von Bett zu Bett; er im Spital in Zürich, ich in Köln.
Für Biografien wie die seine ziehe ich gerne die Kategorie von Volker Kriegel heran: „Einzelanfertigung“. Sie erscheint mir im Falle CR als zu schwach.
Was für ein Leben!
Von 1969 bis 2004 schrieb er für den Zürcher Tages-Anzeiger; zunächst als Freier, er berichtete noch zu Studienzeiten aus dem Berlin der Spät-APO-Zeit, später als Kultur- und Medienredaktor sowie als Leiter des Kulturressorts. Er kannte sie alle: Dürrenmatt, Frisch … als wir einmal zum S-Bahnhof Stadelhofen in Zürich gingen, wies er auf eine Dachetage: „Da hat Max Frisch seine letzten Tage verbracht“.
Prominenz begegnete ihm schon in Kindertagen, er machte sich nicht viel daraus (obwohl, Profil, Individualität, Aufsässigkeit wusste er zu schätzen). Liberale wie Theodor Heuss verkehrten bei den Rentschs, Vater Eugen war Verleger alt-liberaler Literatur. Mit ihm hat der linke Sohn sich früh überworfen.
Er brauchte es materiell nicht, aber als Anekdote gefiel ihm doch sehr, dass, hätte sein Vater die „Negermusik“ nicht vehement abgelehnt, er als Erbe vom bestverkauften Jazzbuch der Geschichte profitiert hätte.
Noch vor dem S. Fischer Verlag, der es bis heute vemarktet, hatte nämlich Joachim Ernst Berendt in den fünfziger Jahren für „Das Jazzbuch“ beim Rentsch Verlag, Zürich, angefragt.
Mit Berendt hatte Christian es nicht so. Kein Wunder für den wohl kritischsten Jazzkritiker in der Schweiz. Dafür konnte er es umso mehr mit Berendts Nachfolger bei den Berliner Jazztagen, mit George Gruntz.
Seit dem neunzehnten Lebensjahr war er ihm verbunden, seit der damals schon renommierte Pianist Gruntz den ambitionierten Vibraphon-Anfänger in einer seiner Bands mitlaufen ließ.
Christian schrieb Texte für die Programmhefte der Berliner Jazztage während der Gruntz-Jahre. Er schrieb mehr noch über den Pianisten George Gruntz (1932-2013), er besuchte mit ihm Miles Davis in New York City.
Und einmal doch ließ er den Rollenkonflikt, den ein zudem kritischer Journalist in einer solchen Verbindung in sich balancieren muss, eskalieren: er schrieb eine negative Rezension über seinen Freund.
Gruntz war brüskiert. Es herrschte Funkstille. Nicht entscheidend ist, wie lange, sondern wie die beiden herausfanden. In den Monaten vor seinem Tod, nachts um Drei voller Schmerzen, wo fand Gruntz Trost in langen Telefonaten?
Hier kommt eine große charakterliche Eigenschaft von Christian ins Spiel: seine Loyalität. Ähnlich gegenüber Irène Schweizer (1941-2024); er hat sie bis zu ihrem Tode regelmäßig aufgesucht, auch als sie ihn nicht mehr erkannte.
Mitunter war bei ihm Loyalität nicht von Sentimentalität zu unterscheiden (und er nahm´s nicht krumm, wenn man ihn darauf ansprach). So fuhr er Jahr für Jahr, „aus mir selbst nicht erklärlicher Loyalität zu Burkhard Hennen“, „ans Moers Festival“, wie er zu sagen pflegte. Bis 2024, als Hennen lange durch den übernächsten Festivalchef abgelöst war, und das Festival ihm nicht nur körperlich Mühen bereitete.
Ja, Christian war sozial engagiert. In einer Szene, in der dieses Attribut schon dem/derjenigen zufliegt, der einem Stück Instrumentalmusik einen entsprechenden Titel aufpappt, muss noch eine weitere Eigenschaft herausgestellt werden.
Christian hatte eine mäzenatische Ader. Er war großzügig. Wo materielle Zuwendung helfen konnte, sprang er ein. Einem Musiker finanzierte er eine Zeitlang die Wohnung, er unterstützte Medien (auch jazzcity.de).
 In den letzten zehn Jahren wandte er sich vom Jazz ab; seine Urteile über unsere kleine Welt erschienen mir zu pauschal (wir haben selbstverständlich darüber gestritten) - trotzdem fuhr er nach wie vor auf „seine“ Festivals, saß in Moers, Willisau, Langnau, Zürich und Schaffhausen, immer ein Digitalrecorder in seiner Hand. Er hat im Hotel Konzerte  tatsächlich nachgehört.
mensch klima 0Er war politisch engagiert, im Großen und im Kleinen. Er veröffentlicht zwei 500-Seiten-Wälzer: „Wem gehört das Wasser?“ (2006) und „Mensch Klima!“ (2011). Er startet einen Klima-Blog.
Seit dem Ukraine-Überfall wohnt eine ukrainische Familie in seinem Haus. Und als sich eine Initiative bildet, die das Gelände sondiert, um Edward Snowden Asyl in der Schweiz zu gewähren, wer ist dabei?
Und wer führt das Wort, als 2020 „848 Petitionäre verlangen, dass die Gemeinde eine gemeindeeigene Beiz mit einem Pächter aus Erlenbach besetzt“? (Es geht um die Gastronomie im Schiffwartehäuschen in seinem Heimatort Erlenbach am Zürichsee; Tina Turner wohnte unweit, desweiteren Nils Wogram und Roger Federer).
Als im vergangenen Jahr eine junge Frau, deutlich unter zwanzig, eine große Demonstration in Zürich organisiert, da ist Christian sichtlich stolz, als man ihn darauf hinweist, dass in seinem ältesten Enkelkind eine gute Portion der Aufsässigkeit des Großvaters weiterlebt.
Christian gehörte in seiner Berliner Zeit zu denen, die Wolf Biermann in seiner legendären Wohnung in der Chausseestraße 131 aufsuchen konnten. Im November 2023 gelingt ihm die Reinszenierung des Zürcher Treffens von Biermann mit Franz Hohler vor zweimal ausverkauften Haus im Theater Rigliblick.

Lieber Chrigi! 
Obwohl ich von deinen Erkrankungen wusste, im Großen & Ganzen jedenfalls, trifft mich der Anlass für diesen Nachruf unvorbereitet. Ich schreibe ihn mit deiner Methode (wir hatten darüber gestritten): spontan, aus dem Moment heraus. In Trauer.
Ich hoffe, ich habe dich korrekt gezeichnet (wie ich dich sehe). Im Großen & Ganzen jedenfalls.

Seit Monaten liegt bei mir ein Buch, das ich für dich in einem deutschen Antiquariat erworben habe; vermutlich wegen der hohen Portokosten in die Schweiz, ich weiß es nicht mehr.
Adel S. Elias „Wer wirft den letzten Stein? Der lange Weg zum Frieden im Nahen Osten“, 1993.
Ein alter, nach wie vor prophetischer Titel. In diesem Frühjahr, spätestens beim Schaffhausen Festival im Mai, wollte ich es überreichen.
Ich werde es zur Beerdigung am 2. Mai mitnehmen.
Apropos Schaffhausen 2015. Ein Festival ohne den Rentsch.
Das können sich manche gar nicht vorstellen. Das müssen sie jetzt einüben.
christian rentsch grab   1Christian Rentsch,
geboren am 30. Oktober 1945,
verstorben am 12. April 2025 in Erlenbach bei Zürich.
Er wurde 79 Jahre alt.

 


Porträtfoto:
Christian Rentsch am 10.10.21 im Museum Ludwig, Köln
Grabfoto:
Friedhof Erlenbach am Zürichsee, 02.05.25

erstellt: 14.04.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

 

Miles & Juliétte, Mick & Robert

Vor 76 Jahren, im Mai 1949, in Paris, in der Haupstadt der Liebe…
Ja, anders kann der Auftakt dieser Meldung nun wirklich nicht lauten.
Paris, in der Salle Playel, beim Festival International de Jazz.
Er spielt, er wurde gerade 23. Sie war 22.
„Michelle (die Frau von Boris Vian, Anm. JC) schleuste mich durch die Kulissen ein. Ich hab diesen Burschen von der Seite gesehen. Sehr schönes Gesicht. Ich spürte eine Harmonie zwischen der Person, den Gebärden und dem Klang der Trompete. Man musste kein Gelehrter sein, um zu merken, dass er bereits zu den ganz Großen gehörte. Wir sind dann in einer Gruppe von Leuten essen gegangen. Ich sprach seine Sprache nicht, er sprach meine nicht. Und doch … das Wunder der Liebe!“
So erzählt sie es, Juliette Gréco (1927-2020), fünfzig Jahre später einem Reporter von „Libération“; in, wie der Bayrische Rundfunk wispert, in diesen „sprachlich funkelnden Sätzen“.
Der schöne Mann, mit dem „Profil eines ägyptischen Gottes“, war, wie wir alle wissen, Miles Davis (1926-1991).
Miles Juliette The Untold Love Story of Miles Davis and Juliette Greco Paris 1949   YouTubeEs hub an, damals im Mai, die wohl schönste Liebesgeschichte des Jazz, selbstverständlich eine amor fou.
Sie scheiterte, auch das ist vertraut, nicht allein aus persönlichen, sondern auch aus sozialen Gründen; an Umständen, die mit Rassismus treffend beschrieben sind.
Eine Geschichte, die nur darauf wartet, nicht mehr nur in Texform & Fotos zu ruhen, sondern wieder neu erzählt zu werden. Im Kino.
In Cannes machen derzeit Details die Runde. Demnach wird Damson Idris Miles Davis spielen und Anamaria Vartolomei die Gréco. Regie führt Bill Pohlad.
Zu den Co-Produzenten gehören Victoria Pearman und Mick Jagger (Jagged Films), der lexikalisch korrekt „begeistert“ ist, an einem Film teilnehmen zu können, der "unbestreitbar einem der einflussreichsten und wichtigsten Musiker des 20. Jahrhunderts“ gilt.
Viel aufregender ist, an wen die Filmmusik vergeben wird: an Robert Glasper. Der kann richtig was.
Die Chancen, dass er es auch wirklich tut, stehen 50:50.

erstellt: 14.05.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Roy Ayers, 1940-2025

Roy ayers 1976Es gibt Jazzmusiker, die - zumindest streckenweise - mehr außerhalb des Jazz diskutiert werden also innerhalb. Ramsey Lewis gehört dazu, Eddie Harris, der späte George Duke und sicher auch Roy Ayers.
Er gehört zu den meist-gesampelten und -remixten Vertretern des Jazzfunk (der Einstufung von Wikipedia mag man folgen).
Der Legende nach hat er seine ersten Mallet-Stöcke im Alter von fünf Jahren von Lionel Hampton geschenkt bekommen. Aufgewachsen ist er in South Central Los Angeles, gin auf die Thomas Jefferson Highschool, die vor ihm z.B. auch Dexter Gordon besucht hatte.
Dort spielte er neben Vibraphon auch Gitarre und Klavier, von einem Studium ist nichts überliefert. Seinem Start als Postbopper 1962 folgte bereits ein Jahr später seine Debüt „West Coast Vibes“.
1966 schließt er sich dem Flötisten Herbie Mann an; der Höhepunkt ihrer Zusammenarbeit, „Memphis Underground“ (1969), ungeheuer populär und einflussreich, klingt heute kaum weniger überzeugend.
Es ist Genre-Musik, so wie vieles später von Ayers´ eigenen Ubiquity-Projekten: handwerklich gut gemachgt, die die Mode der Zeit auf einen gemeinsamen Nenner bringt.
Das kommt gut an, ist fraglos unterhaltsam, reicht aber sicher nicht für einen Eintrag in den jeweiligen (Jazz)Kanon der Zeit; dafür befindet sie sich zu weit außerhalb.
Vieles von Ayers lässt sich umstandslos diversen Soul-Moden zuordnen, so ganz sicher auch sein größter Hit „Everybody loves the Sunshine“ (1976).
Roy Edward Ayers Jr., geboren am 10. September 1940 in Los Angeles, starb am 4. März 2025 in New York City. Er wurde 84 Jahre alt.

erstellt: 06.03.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

"Nur wenige hatten keine Angst vor ihm" - Keith Jarrett wird 80

Keith Jarrett wird heute 80.
Und das Großfeuilleton zeigt viel Lust & Laune, nach den großen Jarrett-Memorials dieses Jahres (50 Jahre „Köln Concert“, kurz danach der Film „Köln 75“) auch noch den runden Geburtstag zu würdigen.
Bei einem solchen Anlaß erwartet man zuvorderst den Jarrett-Biographen Wolfgang Sandner. Der komprimiert denn auch in der FAZ gekonnt Vita & Werk des Geburtstagskindes, ohne dessen Doppelbegabung zu übergehen: „Er war ein pianistisches Genie in beiden Genres, ein hochorigineller Jazzimprovisator und ein kompetenter Klassik-Interpret.“
Das Verb in der Vergangenheitsform; niemand vergisst zu erwähnen, dass Jarrett nach zwei Schlaganfällen 2018 nicht mehr in der Lage ist, je wieder auf einer Bühne oder in einem Studio die gepriesenen Eigenschaften zum Ausdruck zu bringen.
Dieser Künstler und dieser Anlaß; wie andere auch beliebt Sandner zu psychologisieren und leitet mit einer Janusköpfigkeit ein: „Es gab immer zwei Keith Jarretts. Der eine war höflich, empfindsam und introvertiert…“.
Und der andere? „Der (…) war brüsk, empfindlich und impulsiv, rücksichtslos gegen sich und die Umwelt, wenn es um Kunstdinge ging: ein öffentliches Monster am Klavier. Nur wenige hatten keine Angst vor ihm.“
(Menschenskinder, jetzt fällt uns siedendheiß ein, dass wir am 24.01.75 mit schlotternden Knieen in der Oper Köln Platz genommen hatten, wohingegen die damals frisch Angetraute vollkommen furchtlos wirkte.)
Ueli Bernays übergeht in einem ausführlich Stück in der NZZ ebenfalls nicht den „Bach-, Mozart- und Schostakowitsch-Interpreten“ Jarrett.
Leider begibt er sich aber auch auf das Glatteis von Jarrett-Aussagen und Jarrett-Metaphern; darunter jene, der Pianist selbst habe sich einmal „als Bauchredner charakterisiert, der gleichzeitig auch die Puppe verkörpern müsse.“
In diesem Zusammenhang habe er von seiner linken Hand „in der dritten Person Singular“ gesprochen. Das klingt im Original so:
„My left hand actually had knowledge that I wasn’t letting it tell me for years and years“ und dürfte die gerade in Zürich konzentrierten Musik-Kognitionswissenschafter erheitern.
Keith Jarrett New Vienna 2LP s515708 o7022389 a555320 v13266935.c5bbfad4 KopieAuch Gregor Dotzauer, der schon den Siebzigsten ausführlich gewürdigt hat, macht im „Tagesspiegel“ seinen neuerlichen Glückwunsch mit einer steilen These auf. Er beruft sich auf den Jazzbassisten Ben Street, der Keith Jarrett „einen maßlos unterschätzten Musiker“ genannt habe.
Genau! Allen Menschen, die guten Willens sind, stehen nun die Haare zu Berge.
Und Dotzauer nutzt die kontraintuitive Empörung (wohl auch im Sinne von Ben Street), um ein Paradox zu beschreiben:
„Denn die Anbetung, die Jarrett seit einem halben Jahrhundert zuteilwird, korrespondiert mit einer tiefen Unkenntnis dessen, was sein breit gefächertes Genie ausmacht. Die unkritische Kanonisierung seiner Kunst geht einher mit einer Taubheit für ihre Details.“
Dotzauers rhetorische Frage („steckt in solch hilflosen Ehrerweisungen nur eine andere Form von Mystifizierung?“) zielt auf einen Kernbestandteil des großen Jarrett-Mythos´.
Er belässt es nicht dabei und zählt Merkmale des Jarrett-Stiles hervor: „An erster Stelle der ans Gesangliche grenzende Atem seines Spiels, der ihn noch in der virtuosesten Raserei trägt.“ Dann der harmonische Reichtum; die Jazz-Voicings; „die nicht nachlassende rhythmische Spannkraft insbesondere der linken Hand“ (da haben wir sie wieder). Sowie die Anschlagskultur.
Das alles sind Aussagen und Wertungen, denen man mehr oder weniger zuneigen, die man auch ablehnen kann, die alle aber anschlußfähig sind im Sinne eines Diskurses.
Der kräftigste downbeat aus diesem Anlaß, er kommt woher? Richtig, er kommt von der SZ, und dort wie erwartbar von Andrian Kreye. Er hat eine Wucht, nein, sprechen wir lieber von einem Absurditätspotenzial, womit er alle Sicherungen durchschlägt und sich unterirdisch verpieselt.
Es handelt sich um den frivolsten Ausschlag einer jüngeren Tendenz im SZ-Feuilleton, das Gewerbe, das von mehr oder weniger subjektiven Bekundungen lebt, ins Subjektivistische zu überführen.
Es tritt an ein Schreiber, der laut eigenem Bekunden „The Köln Concert nie durchgehört“ und den Pianisten „niemals live gesehen“ hat. Der meint, seine Voreingenommenheit und Beschränktheit (es geht ihm nur nur um das Köln Concert) als „Analyse der Abneigung“ auszuweisen, reiche zu einem satisfaktionsfähigen Feuilleton. Es reicht nicht mal zu einem zünftigen Pamphlet.
Wäre es umgekehrt denkbar, dass, sagen wir, die SZ-Kollegen Brembeck, Mauro, Schreiber, einen, sagen wir, runden Geburtstag von Wolfgang Rihm oder Helmut Lachenmann in dieser Qualität im Blatt berücksichtigten?
That´s Jazz! SZ-Jazz that is!

PS. Der NDR öffnet aus gegebenem Anlass sein Archiv und präsentiert einen stupenden Mitschnitt des Jarrett Trios aus dem 81. Jazzworkshop 1972; mit dem zwischendrin zum Sopransaxophon wechselnden Pianisten, einem gut auflegten Charlie Haden, b, sowie einem agilen Paul Motian, dr, der in großem Kontrast zu seinem Spätwerk spielt.
Nicht zu vergessen das eindrucksvolle Videointerview aus dem Jahr 2023 von Rick Beato mit dem linksseitig gelähmten Jarrett, der staunenswert mit der rechten Hand agiert.
Am 30. Mai veröffentlicht ECM einen weiteren Mitschnitt aus der Europatournee 2016: „New Vienna“.

erstellt: 08.05.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Mike Ratledge, 1943-2025

Ratledge FotoWer ist Kult?
Es dürfte müßig sein, diesem schwammigen Begriff mit einem halbwegs festen definitorischen Konzept ein wenig Gültigkeit zu verschaffen.
Aber, hey, dieser Fall drängt sich geradezu auf! Er bietet sich an als Realdefintion von Kult.
Verehrt wird ein Künstler, von dem man zum Zeitpunkt seines Ablebens fast 50 Jahre lang keinen Ton mehr gehört hat, „der als künstlerisch wertvoll gelten könnte“.
Ein Künstler, der von vielen, die altersmäßig durch die Vorwahlen 6 und 7 zu erreichen sind, regelrecht vermisst wird. Seit Jahrzehnten. Die Aktivitäten auf facebook sprechen Bände.
Dabei konzentriert sich die Verehrung auf ein kleines Zeitfenster seines Lebens, geöffnet vom Frühjahr 1969 bis zum Frühjahr 1976. Das Zeitfenster beschreibt einen frühen Höhepunkt einer Band, die er dann nach sieben Jahren wieder verlässt.
In dieser Zeit hat diese, Soft Machine, den britischen Jazzrock von der Rockseite her umgekrempelt. Nicht unwesentlich, weil er dabei (nicht als einziger, aber als prägender) auf der elektrischen Orgel einen Sound entwickelt, der mit „Wespe im Gehirn“ metaphorisch gut erfasst ist. Er artikuliert sich in an- und abschwellenden Klangflächen, aber auch Cluster-Ballungen;  in langen Soli mit sicherem timing und mitunter Saxophonartiger Phrasierung. Ein Faszinosum!
Die meisten, die an diesem oft sehr eindrücklichen Klangbild mitgewirkt haben, sind verstorben: Kevin Ayers, Hugh Hopper, Elton Dean, Allan Holdsworth, John Marshall. Sie haben sich später, unabhängig vom Gruppenmythos, auch als individuelle Künstler behauptet.
Die Gruppe schleppt sich, mit anderem Personal, auch heute noch über die Bühnen. Sie könnte den Namen auch fallenlassen; ihr haftet, selbst wenn sie im Katalog der legendären Stücke blättert, nichts mehr von deren Magie an.
Wer sich nach den Umständen ihres Entstehens erkundigt, nach den Bewegkräften des Mythos, im Zeitfenster der späten 60er und frühen 70er, der kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Er stösst auf ein Dickicht von Widersprüchen, Animositäten, ja Gegnerschaften auf engstem Raum - dem große Kunst entsprungen ist. Against all odds.
Wer nach einer Fortsetzung dürstete, wer sich nicht damit abfinden konnte, dass die bewegende Zeit nur noch in Tonträgern verschlossen vorliegt, der musste - wenn er überhaupt etwas wahrnehmen konnte - sehr viel später mit Befremden lesen, dass der verehrte Künstler die schönen Zeiten in die Tonne trat:
„Ein Teil des Problems mit Soft Machine war, dass man sich völlig in einem bestimmten Stil gefangen fühlte. Es war eine ziemliche Erleichterung, in die Werbemusik einzusteigen, wo es möglich ist, in einer großen Bandbreite von Stilen zu arbeiten. Etwa eines von drei Projekten ist interessant.“
Wer die Schallwellen, die hier angesprochen und vorsichtig gefeiert werden, zur Kenntnis nehmen konnte, verstand die Welt nicht mehr.
Etheridge Ratledge.pngSein Achtzigster wurde gefeiert vor knapp zwei Jahren - der Künster war nicht anwesend.
Heute kommt von John Etheridge, einem der aktuellen Namensträger von Soft Machine, mit dem er sich alle paar Wochen noch traf, die Nachricht auf facebook:
Michael Roland Ratledge geboren am 6. Mai 1943 in Maidstone/Kent, verstarb am 5. Februar 2023 in London. Er wurde 81 Jahre alt.

erstellt: 05.02.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

DLF Milestones zum 80. von Mike Ratledge

Soft Machine in Bilzen/B 1969

Mike Ratledge Interview 1974

 

 PS (11.02.25)
PS: War der Tod von Mike Ratledge (fast) exklusiv ein deutsches facebook Phänomen?
Das Großfeuilleton nahm nicht von ihm Kenntnis, seine kleineren Ableger ebenfalls nicht. Noch verwunderlicher: nichts bei UK Jazz News oder Richard Williams´ blog bluemoment.
Zwei britische Tageszeitungen zogen nach, nicht unter Culture oder Music, sondern - was die Zeitverzögerung erklärt - unter „obituaries“/Nachrufe:
Der Guardian sowie der Telegraph.

Wolfgang Hirschmann, 1937-2025

„Adamo. Stockhausen. WDR Big Band“.
So hatten wir eine WDR3-Sendung überschrieben, Anfang Januar 2017, aus Anlass seines 80. Geburtstages.
Und mittendrin angemerkt: „Für die Generation 50plus war er - ohne dass sie ihn kannte - der Mann an den Reglern für den Sound ihrer Kinder- und Jugendjahre“.
Vieles, was ihnen - vermutlich beiläufig bis ablehnend - zu Ohren gekommen war, geschah mit seiner Mithilfe. Gitte & Rex Gildo, Bill Ramsey, Graham Bonney, die Lords, die frühen Bläck Fööss, nicht zu vergessen 1969 „ne Besuch em Zoo“ (oh, oh, oh, oh!), erst recht nicht zu vergessen, 1973 ein singender Außenminister von der FDP (dem ein Jahr später, nun als Bundespräsident, „Hoch auf dem gelben Wagen“ zu singen, nicht verziehen worden wäre).
Hinter alledem (und noch viel mehr) steckte Wolfgang Hirschmann.
Hirschmann PhilEr sass aber auch Ende der 50er bei den Feetwarmers (Klaus Doldingers erste Kapelle) am Pult.
Ebenso aber auch bei Stockhausen & Kagel. Bei Marlene Dietrich (in den Abbey Road Studios), häufig bei Kurt Edelhagen (auch bei dessen Olympia-Musik, 1972), beim Soundtrack für „die Mutter aller Verkehrserziehungsendungen“, Der Siebte Sinn (1966-2005).
„Der Mann hatte einfach von Natur aus eine tolle Klangvorstellung“, wie Rolf Kühn ihn zu charakterisieren pflegte.
Er wusste nicht nur, wohin mit dem Klang, er hat ihm auch - wenn´s sein musste kleinteilig - den Weg dorthin gebastelt: er war ein Handwerker.
„Eine der bestgelungenen Aufnahmen, die mir passiert sind“, 1969 im Ronnie Scott´s Club in London, verdankt er einem Gang in die nächste Parfümerie:

„Der Flügel war so schlimm, dass ich mir Nagellack geholt habe, und die ganzen Hämmer mit Nagellack präpariert habe. Nach zwei Stunden war das hart, und da hatte ich ein richtiges Klavier, das man auch hörte.“
Der Einsatz kam einem regelrechten Klanggeschoss jener Jahre zugute, der Kenny Clarke - Francy Boland Big Band. Und damit wären wir bei der Begründung, warum sein Tod an dieser Stelle von Belang ist. 1961 bis 1972 war er tontechnisch verantwortlich für alle Aufnahmen dieser Big Band.
1985 gab er die Doppelrolle als Tonmeister & Produzent in seinem eigenen Cornet Studio in Köln-Weiden auf und wechselte in die nächste Doppelrolle, die wohl bedeutendste seiner Laufbahn: bis 2002 wirkte er als Produzent & Redakteur der WDR Big Band. Die drei Grammys, die die WDR Big Band 2007 und 2008 erzielte, gehen auch auf seine Vorarbeit zurück.
Aus dem ehemaligen Tanzorchester Werner Müller formete er eine auch in Amerika gefeierte Big Band:
„1990/91 in Montreux: da ist einem Mann wie Quincy Jones der Mund heruntergefallen. Er legt seine Noten auf die Pulte, und die Jungs haben das vom Blatt gespielt, ohne Probe. Das war die erste Akzeptanz, und das spricht sich sofort herum.“
Es war ein offenes Geheimnis, dass er mit Nachfolger & Nachfolgerin auf diesem Posten haderte; nicht zu Unrecht, die Präsenz der WDR Big Band reicht nicht mehr an die der Hirschmann-Jahre heran. (Warum verweigert der WDR ihm das Mindeste, die Ehre eines Nachrufes?)
In Weimar, im Alter von 16 Jahren, beobachtet er einen Vertreter des Berufsstandes, dem er später durch sein Wirken ein eigenes Kapitel hinzufügen sollte. Der junge Wolfgang Hirschmann besucht ein Konzert seiner Mutter, ein Konzert des FDGB-Chores Weimar.
Nach einem Tonmeisterstudium in Detmold wird er 1958 bei der EMI Electroa in dieser Funktion festangestellt. 1970 bis 1985 betreibt er sein eigenes Studio Cornet. 1969 bis 1984 sitzt er am Mischpult der Berliner Jazztage/Jazzfest Berlin.
Wolfgang Hirschmann, geboren am 8. Januar 1937 in Breslau, ist, wie erst jetzt bekannt wurde, am 12. April 2025 in Köln verstorben. Er wurde 88 Jahre alt.

erstellt: 29.04.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

Siegfried Schmidt-Joos, 1936-2025

Freejazz Tv Miller 1

Radio Bremen, WDR, Rias, SFB, twen, Der Spiegel, Gondel (für die Nachgeborenen: Bikini-Frauen auf dem Cover), der Band „Es muss nicht immer FreeJazz sein“, die „historically speaking“-Kolumne im Jazz Podium…
Aber vor allem: die TV-Debatte „Free Jazz - Pop Jazz. Unverständlich oder Populär?“ von 1967, ein Dauerbrenner auf YouTube - auch deshalb, weil sie ewig die Frage wachhält: „Ist der Diskurs heute wirklich besser?“
Doch das ist nur seine jazz side of things.
Damit sind noch gar nicht seine anderen Seiten angetippt, seine Neigung zu Schlager, Chanson, Popmusik generell und last not least, sein „Rock Lexikon“, ab 1973 fff.
SSJ war ebenso der elder statesman der deutschen Jazzpublizistik wie auch seiner Pop-Anverwandten.
Er war durch und durch eine Blüte der Sixties; schon seine ersten beiden Bücher, beide von 1960 („Geschäfte mit Schlagern“ und „Jazz - Gesicht einer Musik“) sprechen Bände über die Zwei-, nein Vielgleisigkeit seiner Interessen.
Nebbich, nun darüber zu resümieren, ob er jeweils die Nase im Wind oder - noch törichter -: ob er immer recht hatte.
Viel entscheidender, der Mann konnte reden. Und schreiben.
Er war ein Stilist. Dessen Blüten jahrelang in Zitaten weiterlebten (beispielsweise die von den „Zerr- und Splitterklänge“, über die sich Volker Kriegel fortwährend lustig machen konnte).
Goodbye Siggi.
Siegfried Schmidt-Joos, geboren am 17. April 1936 in Gotha, verstarb am 2. Februar 2025 in Berlin. Er wurde 88 Jahre alt.

erstellt: 04.02.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten

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