Drei Erinnerungen aus den frühen siebzigern: der living room seiner Wohnung, hochoben in einem Mehrparteienhaus am Montagu Square, London W1H, in der Nähe des Marble Arch.
Die Adresse verdankten wir Winfried Trenkler. Der Raum war so opulent psychedelisch ausgemalt wie von ihm beschrieben.
Der Mann, der auf Bühnenfotos grimmig mit der Klobürste droht - alles Maskerade, ein humorvoller Mann, ein Unterhalter erster Güte. Er kramt ein Tonband heraus, spult ein und lässt raten, wen wir da - mit ihm!, der doch in etablierten Jazzkreisen über kein Renommee verfügt - hören.
„John McLaughlin?“ - „You´re right!“
Wir hatten den Elchtest bestanden.
John McLaughlin, damals talk of the day, der britische Eingeweihte als Re-Import unter der Marke Mahavishnu erstaunte - er kannte ihn als nächtlichen Sessionplayer. Hatte selbst erlebt, wie der Schüler von Sri Chinmoy wenige Jahre zuvor in Soho besoffen von der Bühne gefallen war. Es war ein Mitschnitt von Browns First Real Poetry Band, den er abgespielt hatte.
Der Gitarrist, immerhin, hat ihm mit „Pete the Poet“ auf seinem Album „Extrapolation“ (1969) ein akustisches Denkmal gesetzt.
Und dann Ian Carr (1933-2009). Sein sarkastischer Satz über ihn:
„He doesn´t play the trumpet - he just holds it“.
Als Trompeter durfte er das sagen. Schlimmstenfalls eine klitzekleine Abwertung steckte darin, denn Pete Brown schrieb damals schon ein halbes Dutzend Jahre (von insgesamt fünf Jahrzehnten) für Jack Bruce. Und Jack Bruce (1943-2014), das war für Ian Carr einer der gebildetsten Musiker schlechthin. Wer mit ihm arbeitet, kann per definitionem nicht schlecht sein.
1972 wohl, in Köln. Pete Brown & Piblokto! spielen in einem Kino am Ring, schon damals eine seltene location. Stunden zuvor wird das Equipment der Bluesrock-Band, inklusive Hammond B3, in einen Aufzug im WDR-Funkhaus gehievt. Live-Auftritt im WDR2 Mittagsmagazin.
Der wenig (dieser) Musik-kundige Moderator spricht routiniert-freundlich mit dem Mann, der ihm äußerlich wohl wie eine britische Kopie von Fritz Teufel (ohne Brille!) vorgekommen sein mag. Vermutlich hat er auch nach Cream gefragt.
Damit begann der erfolglose Lyriker Geld zu verdienen, 1966 mit Cream.
„In the white room with black curtains near the station“, den er 1968 in dem Song „White Room“ (für das Doppelalbum „Wheels of Fire“) beschreibt, begann seine Rettung, seine Loslösung von Drogen & Alkohol.
Das kleinere Schlüsselerlebnis vor Cream fand am 11. Juni 1965 in der Royal Albert Hall statt, eine International Poetry Incarnation mit Michael Horowitz, Allen Ginsberg, Lawrence Ferlinghetti, auf der auch er seine Poems vortragen durfte.
Der Cream-Ruf kam von Ginger Baker, aber viel besser hat er sich nach kurzem Kuddelmuddel mit Jack Bruce verstanden. Das Trio hatte Musik - aber keine lyrics.
Und er lieferte sie, one by one, „I feel Free“, „Sunshine of your Love“, „Politician“, „As you said“ und mehr. Und dann für Jack Bruce, ab „Songs for a Taylor“ (1969) mit der Ausnahme von „Things we like“ - alles bis „Silver Rails“ (2014).
Lange Jahre arbeitete er zusammen mit dem Keyboadspieler Phil Ryan. Nach dessen Tod zog er 2016 nach Hastings, an die britische Kanalküste.
Ein Reporter des Guardian traf ihn im April in der Nähe, in einem Studio in Eastbourne bei den Aufnahmen für ein neues Album „Shadow Club“, das im Oktober veröffentlicht werden soll. An seiner Seite: Malcolm Bruce, der gleichfalls Baßgitarre spielende Sohn von Jack Bruce.
„Shadow Club“ soll sich nostalgisch den Clubs und dem Rhythm & Blues-Boom der 60er Jahre zuwenden, der Zeit seines Aufbruchs.
Brown hatte Bruce bei dessen letztem Album „Silver Rails“ (2014) letztmalig assistiert, nun war es an Malcolm, Brown diesen letzten Dienst zu erweisen.
Um eigene Songs nicht nur zu texten, sondern auch zu komponieren, hat er für „Shadow Club“ mit 75 noch mit dem Klavierspielen begonnen, unterrichtet und unterstützt vom Produzenten John Donaldson.
Peter Ronald „Pete“ Brown, geboren am 25. Dezember 1940 in Ashtead/Surrey, starb an einer Krebserkrankung am 19. Mai 2023 zu Hause in Hastings. Er wurde 82 Jahre alt.
erstellt: 28.05.23
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