Joe kommt...

Bei der Techno Parade hat man ihn gesehen, bei der Fashion Week auch, desgleichen beim Theatertreffen, im Deutschen Theater, beim Gallery Weekend.
Und, dass man in seinem neuen Job „besser mit dem Fahrrad kommt“, hat er rasch gelernt.
Wer steht denn dermaßen unter Beobachtung des Tagesspiegel und warum?
Es ist Joe Chialo, der neue Kultursenator in Berlin. Aus der CDU.
Dass man so jemandes Schritte zählt, gehört unter dem Signum „100 Tage im Amt“ zur Politiker-Folklore. Das ist Standard.
Chialo aber (1970 geboren in Bonn als Sohn einer tansanischen Diplomatenfamilie) ist kein Standard.
Dazu mag am Rande auch seine Erscheinung als „Afropäer“ zählen, weitaus mehr aber seine berufliche Herkunft aus einem für diesen Posten eher fernen Kulturmileu, nämlich das des Pop-Business´. Die Berliner erinnern sich an einschlägige Erfahrungen mit einem ähnlich Verwurzelten, wenn auch aus der SPD, wenn auch auf nachgeordneter Ebene als Kulturstaatssekretär von 2014 bis 2016, an Tim Renner.
Obwohl er „seine Klientel erst einmal kennenlernen (musste)“, sieht Chialo auf den ersten Metern schon mal nicht schlecht aus, zumindest „etwas besser als erwartet“ in der Tagesspiegel-Bilanz.
Dazu zählt, dazu zählt er auch selbst, nämlich in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (06.08.23), dass der Kulturetat in Berlin im nächsten Jahr auf 947 Millionen Euro steigt, „übernächstes Jahr sogar eine Milliarde!“
Chialo Bronner   1

 

 

 

 



Joe Chialo im Video-Podcast
mit Till Brönner,
unter Aufsicht von
Ludwig Erhard und
Konrad Adenauer

 

 

Das FAS-Gespräch mit ihm steht unter einer Überschrift, die der Tagesspiegel vermutlich als "zweiten Hammersatz“ des neuen Senators einstuft („wobei er den Hammersatz der ersten Tage, dass nichts so bleibe, wie es ist, inzwischen relativiert“, sagt der Tagesspiegel).
Der neue Wurf aber ist mindestens Berliner Rekord, wenn nicht viel weiter:
„Wir sollten auch Schlagermusik fördern“.
Dieser Einschlagpunkt hat bundesweit die Runde gemacht - weniger aber das Umfeld: die Begründung für diesen Schritt, der von den Maximen bisheriger Kulturpolitik abweicht, wonach das zu fördern sei, was sich am Markt nicht re-finanziert:
„Man kann nicht sagen: Dem Jazzmusiker gebe ich Geld, der Schlagersänger wird sein Auskommen schon auf dem Volksfest verdienen. Falsch.“
Warum?
„Wir müssen über alle Musikrichtungen reden, die die Herzen zum Klingen bringen. Dazu gehört auch der Schlager“.
Der Senator ist keineswegs Jazz-fern; er hat z.B. den Jazzpreis Berlin 2023 an die Marimbaspielerin Taiko Saitō überreicht (finanziert vom rbb sowie vom Land Berlin). Würde er über deren Musik hinaus den Verlautbarungen vieler JazzmusikerInnen lauschen, erführe er, dass diese seinem Herzensprofil inzwischen weitgehend genügen - sie reden immer weniger über Musik.
Chialo greift aber höher, es geht ihm um „die Rolle der Kultur als Bindeglied - zum Beispiel auch darum, dass wir Stadtrand und Innenstadt zusammenbringen, Brücken bauen“.
Abgesehen von der politischen Farbgeografie der letzten Senatswahlen, die darin mitschwingt - man glaubt ja gar nicht, wer alles zu Rammstein geht oder mag.
Welche Brückenbauer sich da versammeln. Unfassbar.

erstellt: 06.08.23, ergänzt 07.08.23
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