Köln > Kermani > Köln Concert

Man wird sich nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, wenn man Navid Kermani, geb. 1967, als einen Nachfolger von Heinrich Böll (1917-85) versteht - nicht im Hinblick auf beider Eigenschaft als „Schriftsteller“, sondern nur in einer Hinsicht: in der Rolle als Intellektuelle der Stadt, gerne auch zugespitzt  zu ihr „moralisch-intellektuelles Gewissen“.
Die Stelle war nach dem Tode Bölls lange vakant. Manche mochten sich vorübergehend dem Trugschluss hingeben, in Wolfgang Niedecken den Gerechtfertigten gefunden zu haben. Für kölsche Fragen mochte das durchaus begründet sein, aber in punto Charme & Rafinesse der Gedanken doch allzu viel Luft nach oben zu haben.
Vor allem aber was deren Tragweite ins Globale betrifft, spielt Kermani in einer anderen Liga. Von seinen Ausflügen in religionsgeschichtliche Deutungen ganz zu schweigen.
Welchen Platz hat darin der Jazz?
Nun, von Böll ist dazu nichts überliefert. Auch KI, in diesem Falle Claude, kann "keine spezifischen Äußerungen von Heinrich Böll zum Jazz finden“.
Im Falle Kermani ist das anders. Der in Siegen geborene Autor und Orientalist, Sohn iranischer Eltern, seit dem Studium in Köln ansässig, äußert sich gelegentlich dazu - bislang im Überschwang des Amateurs.
So reicht er gläubig anlässlich seiner großen Ostafrika-Reise 2023 den Signalruf des äthiopischen Vibraphonisten Mulatu Astatke weiter: „Jazz ist afrikanisch!“, gestützt auf die Tonleitern des Volkes der Deraschi, die bei einschlägigen Experten in dieser grundlegenden Funktion gar nicht vorkommen.
Heute entfaltet Kermani im Kölner Stadtanzeiger seine Vorschläge für die redaktionelle Reihe „100 Ideen für Köln“ (das nächstfolgende Foto neben ihm von…Heinrich Böll!). Zunächst misst er den eher bescheidenen Ruf der Stadt als Kulturmetropole der Gegenwart an dem der Vergangenheit, damals u.a. „Böll, Brinkmann, die wichtigsten Galerien Europas, die romanischen Kirchen, Stockhausen, Kagel, Can“.
Bei „Weltmusik“ (aus Köln) wird´s dann schwer, ihm zu folgen. Und dann wird´s wirklich kurios:
„…Keith Jarrett hatte sein berühmtestes Konzert auch nicht zufällig ´in Cologne´“).
Das ist wohlgenährter Lokalstolz; das dürfte, angesichts der Prominenz des Autors, ein weiterer Baustein im Mosaik des Mythos Köln Concert werden.
Aber auch nicht mehr.

erstellt: 24.08.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten