Was für ein Zufall. Vor ein paar Tagen (Ort & Zeit verschwimmen in der Erinnerung, hätten wir doch besser aufgepasst, im ÖPNV war es vermutlich nicht…) wurden wir Zeuge einer Unterhaltung über… Tony Coe.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die beiden Stimmen die Titelmelodie zum Film „The Pink Panther“ von Henry Mancini erwähnen würden - und da fiel das erwartete Stichwort dann auch.
Weit verbreitet - aber falsch. Die beiden fielen (wie auch JC in einer ersten Fassung) einer z.B. von Wikipedia (D) verbreiteten Angabe zum Opfer. Das Tenorsolo 1963 spielte tatsächlich Plas Johnson.*
Gleichwohl hat unser Mann im Laufe von sieben Jahrzehnten an einer kaum überschaubaren Anzahl von Produktionen mitgewirkt, darunter in der Tat "Peter Gunn" von Mancini.
Und gut dreißig unter eigenem Namen bzw. in Co-Leadership; darunter 1985 sein Album "Mainly Mancini", verbunden mit einer Kritik an seiner eigenen schlechten Intonation.
Er kommt aus Canterbury, er hat - wie Mitglieder von Soft Machine - die Simon Langton Grammar School for Boys besucht, eines seiner Alben heißt „Canterbury Song“ (1989).
Mit Richard Sinclair (Caravan, Hatfield & The North) hat er mehrmals gespielt, 1973 auf eine Caravan-Album gastiert („For Girls Who Grow Plump in the Night)" - zur Canterbury Scene gehörte er stilistisch definitiv nicht.
Er war - in dieser Hinsicht nicht unähnlich seinem deutschen Kollegen Gerd Dudek, hoch adaptionsfähig und stellenweise gleichzeitig in der Avantgarde als auch im Mainsteam zu Hause.
Man hörte ihn im Verein mit Derek Bailey, aber auch jahrelang mit Hymphrey Littleton, mit Peter Brötzmann ebenso wie mit Paul McCartney, bei den Hollies ebenso wie bei Dizzy Gillespie.
Er gehörte zur berühmten Sax Section der Clarke/Boland Big Band, auf 17 CDs ist sein Wirken mit dem Wiener Klangästheten Franz Koglmann dokumentiert. Bei den Melody Four konnte man lachen, er hatte auch sonst Humor: ein Engagement bei Count Basie lehnte er ab, das hätte „nicht länger als 14 Tage gedauert“.
Beim Verzehr von Eiern aber verstand er keinen Spaß.
Die Klarinette erlernte er in Privatunterricht, das Tenorsaxophon autodidaktisch; beide Instrumente (wie auch Baßklarinette) spielte er durchgängig.
Er hat auch, wie nicht nur der Rough Guide Jazz mitteilt, Komposition studiert, u.a. bei Richard Rodney Bennett und dabei eine Vorliebe für Alban Berg entwickelt. Bennett wird über Coe´s Thirdstream-Opus „Zeitgeist“ (1976) zustimmend mit den Worten zitiert: „Die Beschäftigung mit Alban Bergs Werk scheint sich niedergeschlagen zu haben“.
Er war schließlich der erste Nicht-Amerikaner, der mit dem dänischen Jazzpar-Preis ausgezeichnet wurde (1995).
Anthony George Coe, genannt Tony, geboren am 29. November 1934 in Canterbury/Kent, „died peacefully at hospital“ (Kent online) dortselbst am 16. März 2023. Er wurde 88 Jahre alt.
PS: Das britische Jazz Journal re-publiziert eine Art blindfold test anlässlich des Todes von Tony Coe. Darin äußert er sehr dezidierte Ansichten über Eric Dolphy, Jan Garbarek, die Jazz-Avantgarde, Soft Machine ("Ich will nicht prahlen, aber ich habe sie gewissermaßen ins Leben gerufen") und sein Mitwirken bei "Lady Madonna" - das er nicht wiedererkennt!
*JC dankt Odilo Clausnitzer für die Korrektur.
erstellt: 20.03.23
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