Die Deutsche Jazzunion, die Vertretung der Jazzmusiker und -musikerinnen, ist 50 geworden.
Am Anfang, im Januar und Juli 1973, bei den ersten beiden Foren in Marburg, waren sie (fast) alle da:
Albert Mangelsdorff, Manfred Schoof, Alexander von Schlippenbach, Volker Kriegel, Joachim Kühn, Klaus Doldinger … you name ´em.
Claus Schreiner, links, Manfred Schoof, rechts
Hätte nicht die Geschäftsführung der ersten Jahre in den Händen von Claus Schreiner, 80, gelegen, dem Agenten von Doldinger, Mangelsdorff u.a., einem administrativ erfahrenen Mann - der zunächst als Union Deutscher Jazzmusiker eingetragene Verein hätte das Ende des Jahrzehntes wohl nicht erreicht.
Nachdem auch Mangelsdorff als Vorsitzender nicht mehr leuchtete, waren sich später selbst Szenekenner mitunter nicht sicher, ob es die Organisation noch gibt.
Aber sie hielt sich. Ein Lebenszeichen sendet sie nach 1994 alle zwei Jahre durch ihre Mitwirkung am Albert Mangelsdorff Preis.
2012 dann eine grundlegende Neuaufstellung: viel mehr Musikerinnen, ein geschlechtsneutraler Name > Deutsche Jazzunion.
Sie hat gewiss ihren Anteil an der inzwischen besseren Förderung des Jazz, insbesondere durch den Bund.
Auch publizistisch sind ihr mehrere Projekte gelungen: sie hat zwei Studien über die - ökonomisch prekäre - Lage ihrer Mitglieder initiiert; sie hat sogar die Bundeszentrale für Politische Bildung für zwei Schriften ins Boot geholt (mit Texten freilich, die teilweise nicht dem Standard deren Zeitschrift „Aus Politik und Zeitgeschehen“ entsprechen.)
In der Geschäftsstelle der Union in Berlin sind laut Webseite heute 14 MitarbeiterInnen beschäftigt (und abgebildet samt ihrer korrekten Personalpronomina „er/ihm“ bzw „sie/ihr“).
Und doch braucht diese Organisation von der Größe eines mittelständischen Betriebes geschlagene fünf Tage für eine Pressemitteilung über ihr Jubiläumsforum in Marburg.
(In dieser Hinsicht sind einige ihrer Mitglieder, auch aus dem Vorstand, daheim schneller).
Die „Sichtbarkeit“, um die der Verband in der Gesellschaft ringt, sie bietet er auch aus eigener Kraft auf seinen eigenen Seiten einstweilen nicht:
keine Videos aus den drei Panels in Marburg.
Wo man sich en detail informieren könnte über die Inhalte des 27. Jazzforums, etwa über die „Bedeutung gesellschaftlicher Transformationsprozesse für die Jazzszene“.
Oder „Wie machen wir Deutschlands Jazzszene fit für die Zukunft? Implikationen für eine nachhaltige Jazzinfrastruktur in Deutschland?“
Oder schlicht: was hatten die Alten den Jungen zu sagen, und umgekehrt?
Die Pressemeldung beschränkt sich im wesentlichen auf den Transport der eines Verbandes üblichen Signalworte.
Etwa durch den Ehrenvorsitzenden Manfred Schoof:
„„Die Sichtbarkeit des Jazz in Politik und Gesellschaft ist wichtig, denn Jazz wirkt auf vielfältige Weise in die Gesellschaft hinein – als Kunst und beste Unterhaltung zugleich.“
Oder durch die derzeitige Vorsitzende Anette von Eichel:
„„Der Jazz hat der Gesellschaft viel zu geben, etwa mit Blick auf gesellschaftliche Interaktion, gemeinschaftliche Improvisation und interkulturelles Verständnis.“
Sie klingen wie Hilferufe.
Unter der tonnenschweren Last gegenwärtiger globaler Probleme, so steht zu befürchten, dürfte das Erkennen solcher sozialen Transformationsleistungen aus einer Kunstform in „die Gesellschaft“ - schon zu „Normalzeiten“ schwierig - ans Unmögliche grenzen.
Wer hätte jüngst von einem Lösungsvorschlag gehört, der sich „dem Jazz“ verdankte?
Zu dem Prekären gesellte sich obendrein Ignoranz. Die aktuellen Printmedien nahmen von dieser Veranstaltung so gut wie gar nicht Notiz.
Die FAZ zum Beispiel, vor 50 Jahren auch auf dem Foto der Unions-Gründung mit einem Berichterstatter präsent, mutete ihren klugen Köpfen diesmal gar nichts zu.
Fotos: © Georg Kronenberg
erstellt: 21.07.23
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