Nachdem die dpa vorgeprescht und der geplanten Promotion-Kutsche auf der jazzahead das Zugpferd ausgespannt hat, zieht die eigentliche Institution nun nach:
der Preis für das Lebenswerk innerhalb des Deutschen Jazzpreises 2023, so wurde inzwischen auch offiziell mitgeteilt, geht - kurzer snaredrum-Wirbel - an Rolf & Joachim Kühn.
Die Auszeichnung ist so einsichtig & nachvollziehbar wie selten was in unserer kleinen Welt.
Dass Rolf (1929-2022) geehrt wird, mag zudem wie ein kleiner Ausgleich dafür erscheinen, dass er die Anwartschaft auf den renommierteren Albert Mangelsdorff Preis nicht überlebt hat (ein Philip Roth des Deutschen Jazz, so to speak).
Die Begründung für die Wahl freilich, ergangen „nach regen und emotionalem Austausch“, ist einer gesonderten Betrachtung wert; sie belegt das Elend deutscher Jazz-Jury-Prosa in herausgehobener Weise.
Selbst ChatGPT hätte vermutlich starke Vektoren für den Gedanken ermittelt, was die jeweilige Qualität der Brüder Kühn vor allen anderen Eigenschaften ausmacht:
ihre instrumentale Meisterschaft.
Von „Handwerk“ ist in dem Jurytext nirgends die Rede, schon gar nicht von dessen Voraussetzungen, sondern von Tugenden, wie sie auf hunderte andere auch zutreffen, Tugenden zum Beispiel wie „musikalische Neugier und Lust, neue Wege zu gehen“.
Der Sonderpreis des Deutschen Jazzpreises 2023 gilt keiner bekannten, im Falle Kühn & Kühn sogar kanonischen Leistung, sondern vergibt Vorschußlorbeeren für Queer Cheer – Community for “Jazz” and Improvised Music.
„Auch wenn das Kollektiv noch am Anfang steht“, will die Hauptjury nach einem knappen Jahr schon „seine bisherige, bedeutende Arbeit mit dieser Auszeichnung feiern“.
Der Initiative gehört u.a. die Pianist Julia Kadel an. Sie hat sich viel vorgenommen, sie will sich mit „Themen wie Diversität, Intersektionalität, Multiperspektivität und Interdisziplinarität auseinandersetzen“.
Die aktivistische Agenda, die sie dabei leitet, findet sich am deutlichsten ausformuliert auf der Webseite der Pianistin.
Zu den Gegnern gehören die großen -ismen: Rassimus (düften die, die ihn nicht erfahren haben, am ehesten nachvollziehen; wo „auf nationalen (Jazz) Bühnen und generell im Musikbusiness“ wäre interessant zu wissen), dann Ableismus, Klassismus und Ageism.
Näheres dürfte ein Round Table am 27.04. um 15.15 Uhr auf der jazzahead vermitteln, zu der eine online-Anmeldung nötig ist.
erstellt: 18.04.23
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