down beat (Feb 2004) wartet mit einer weiteren Lesart der Veranstaltung
"Jazz und amerikanische Demokratie" auf (siehe auch Mundgeruch v. 6.1.04). db-Autor Ted Panken teilt die Auffassung der NYT, das einzig Relevante hätten Wynton Marsalis und Bill Clinton beigetragen. Er geht aber näher auf den Inhalt der Clinton´schen Schallplattensammlung ein.
Eine Auswahl zumindest führt der Ex-Präsident, er ist ja Zeitgenosse, per iPod mit sich (by the way, auch die alte Ausrede, *Komm´ doch noch rauf, ich zeige Dir meine Schallplattensammlung* hat in aller Kürze ausgedient). Die meisten der Gil Evans-Miles Davis Aufnahmen sollen sich darin befinden, Stan Getz frühe 50er, viel Coltrane, 7 Fassungen von *Summertime*, 6 Versionen von *Body and Soul* - Clinton will herausfinden, ob irgendjemand eine interesssantere Version als Coleman Hawkins schafft.
Und dann kommt´s aber dicke: Nixon, so enthüllt der Anführer einer neuen Harlem Renaissance, habe er immer für ein Genie gehalten: hätte der sich mehr in sein Klavierspielen vertieft, wäre er niemals in Watergate hinein-
geschlittert.
Ach ja.
Schliesslich plaudert Clinton aus dem Nähkästchen des Ex-Präsidenten, als hätte er gerade *Ein Fenster aus Jazz* von Joakim Ernst Börendt verschlungen. Mit einem befreundeten Regierungschef, einem versierten Musiker der Klassik, sei er einmal schwer aneinandergeraten: *Ich wünschte, Sie wären wengistens ein mittelmässiger Jazzmusiker, dann blieben sie zwar immer in derselben Tonart, würden sich aber zumindest ein bisschen bewegen!* In der Politik wie im Jazz, so Clinton, sei die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten nicht die Gerade.
Bevor die Clinthetics demnächst zur Jazzfolklore werden, wollen wir fragen, aus welcher Jazztugend abzuleiten wäre, dass er, als es noch einfach war, Osama Bin Ladin zu fangen, den Zugriff verweigerte.
Spielte Bill Clinton seinerzeit eine stop time?
©Michael Rüsenberg, 2004. Nachdruck verboten