SEBASTIAN STERNAL Home ********
01. I am the Ocean (Sternal), 02. Go, 03. Sand, 04. Home, 05. Gravity, 06. Winter, 07. Alias, 08. All of you (Cole Porter), 09. Fade away (Sternal), 10. Solita, 11. Talking Politics, 12. Baloo Boo Boo, 13. Twin Song
Sebastian Sternal - p, Larry Grenadier - b, Jonas Burgwinkel - dr
rec. 01.-04.09.2016
Indigo/Traumton 139782
Hannelore Kraft wird man im Wahlkampf nicht darauf ansprechen dürfen, dass die von ihr geführte Landesregierung NRW diese Produktion (und die gerade abgeschlossene famose Tournee) mitermöglicht hat. Solcherart support wird auf Referentenebene entschieden, von dem in Jazzkreisen des Landes häufig gesehenen Thomas Baerens aus dem NRW Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport.
(Wer das nun für entschiedene Wahlkampfhilfe hält, der sei daran erinnert, dass die Erfahrungen des regionalen Kulturbetriebes auch unter Jürgen Rüttgers, CDU, die schlechtesten nicht waren.)
Die Einladung von Larry Grenadier zeigt nämlich auch einiges vom Qualitätsstandard der Jazzmusiker in NRW. Sie geht nicht auf gemeinsame Studientage, Workshops oder ein Schüler-Lehrer-Verhältnis zurück, sondern auf eine schlichte Anfrage.
Der in Mainz und Köln Jazzpiano lehrende Sebastian Sternal, 34, wollte einfach mal mit einem der amerikanischen Jazzbassisten aus der ersten Reihe spielen: mit Larry Grenadier, 51, der in der JC-Datenbank seit 1989 mit einem ansehnlichen track record archiviert ist, von Bob Belden über Brad Mehldau und Pat Metheny bis zu John Scofield und Mark Turner.
Grenadier hat über Jahre einen Drummer wie Bill Stewart zu Seite; er trifft jetzt auf Jonas Burgwinkel, 36, den wir in diesem Lande für einen der führenden halten.
Im vergangenen Jahr also erhielt er die Einladung eines gewissen Sebstian Sternal aus Germany, bei dessen nächster Trio-Produktion mitzuwirken. Grenadier kannte Sternal - erwartungsgemäß - nicht, aber er „checkte ihn aus“, wie das akustische-Erkundungen-Einziehen heute genannt wird: Anfang September 2016 fand er sich neben Sternal & Burgwinkel im Studio des Deutschlandfunk ein.
Nun gut, eine solche transatlantische Kooperation ist kein Novum, aber sie geht doch auch jeweils mit einer Anerkennung einher; zumal hier ein Gast nicht nur ein paar Soli hinterlässt, sondern am Baß mittendrin steht.
Und Sternal präsentiert sich von seiner besten Seite. Seine große Anschlagskultur, wie man sie aus den Aufnahmen seiner Symphonic Society kennt, kommt ihm hier zugute. Auch seine Qualitäten als Rhythmiker, im Quintett von Frederik Köster exponiert, treten hier deutlich hervor. Im übrigen hat er mit Jonas Burgwinkel denselben Drummer zur Seite. Dieser erscheint hier „funktionaler“ in dem Sinne, als dass er die unüblichen Klang-Utensilien, die er sonst mitführt, weitgehend beiseite lässt.
Das Album beginnt - wie sollte es anders sein? - mit einem ersten Tasten, einem langsamen Einpegeln auf Betriebstemperatur, mit anderen Worten: mit einer rubato Ballade.
Auf Touren kommt das Trio dann in track 2, „Go“, einem binär, leicht rockenden Stück, dessen Groove immer wieder von Piano und Drums aufgebrochen wird. Nur noch Leute aus dem Mittelfeld lassen einen solchen Groove en suite durchlaufen. Burgwinkel zeigt einen herrlichen Aktionismus, Sternal glänzt mit Parallel-Läufe a la Chick Corea und eng-motorischen Wiederholungs-Patterns.
Das Thema ist eh schon ein ostinato-Schmankerl, unisono von Baß und linker Pianohand ausgeführt, (was in der Produktion des öfteren geschieht), wogegen schließlich der Schlagzeuger anrennt.
Das Titelstück öffnet mit einer Country-bewegten Figur, wie man sie auch bei Pat Metheny finden kann, es ist im Grund ein Feature für Burgwinkels ride cymbal (der Rezensent war beim Düsseldorfer Konzert unter Schlagzeuger gefallen, die seinen simplen Eindruck („klingt gut“) mit ausführlichen Erklärungen, wie hier Holz, und zwar ein bestimmtes, auf Metall trifft, auch dies ein bestimmtes, auf ein höheres Niveau brachten).
„Gravity“, ein knochentrockener hard swing, „Winter“ eine Kantilene, und „Alias“, dem großen Perkussionisten Charles Don Alias (1939-2006) gewidmet, leicht blues-haaft und wiederum mit geradezu „auftrumpfend“ parallel geführtem Piano und Bass. Grenadier glänzt, nicht nur hier, mit einem Solo, erdig & klar.
Ja, Sternal kann schreiben, er braucht unter mehr als einem Dutzend tracks nur einen einzigen Standard. Und er ist an seinem Instrument ein wirklich Vortragender, keiner, der - wie es heute allfällig geworden ist - dynamik-arm Geprobtes in die Tasten schüttet. Sein Spiel ist, man muss das Wort richtig auskosten, „delikat“.
erstellt: 13.04.17
©Michael Rüsenberg, 2017. Alle Rechte vorbehalten