FELIX HAUPTMANN Percussion II ********

01. three crows go by about their dark and iridescent business (Felix Hauptmann), 02. the bay is a continuum and change, 03. of a balsam, 04. I am as shy as you are, 05. there is a certain challenge in being humane to hornets but not much, 06. sun city

Felix Hauptmann - p, Roger Kintopf - b, Leif Berger - dr

rec. 18.11.21
Boomslang Records 912001 1931856

Jazzpianisten und Jazzpianistinnen in Köln, das fängt bei Pablo Held nicht an und hört bei Marlies Debacker nicht auf.
Fällt in diesem Feld der Name Felix Hauptmann, und er fällt in letzter Zeit ziemlich häufig, ist ein Aufmerken erkennbar, insbesondere an der Haupstätte seines Wirkens, im Loft in Köln-Ehrenfeld.
Hauptmann, 30, aus dem Saarland, ausgezeichnet mit dem Jazzpreis der Stadt Köln, 2022, ist in JC gut repräsentiert: als Mitglied im Quartett seines Nachfolgers in dieser Auszeichnung, Fabian Dudek, oder auch mit seinem Quartett-Album „Talk“ von 2019.
Noch gar nicht die Rede war von seiner „Hauptsache“, seinem Trio, das nun schon sein zweites Album vorlegt, wenngleich bald vor zwei Jahren produziert.
Man hat sich im Jazz daran gewöhnt, dass Titel & Namen mitunter nicht das anzeigen, was sich dahinter verbirgt. So auch im Falle dieses langjährigen Trios.
cover hauptmann percussion IISchon ein Blick auf die Besetzung zeigt, dass hier nichts zum Einsatz kommt, was man unter dem Begriff „Percussion“ für gewöhnlich zu subsumieren bereit ist.
Die Band nutzt nicht mal den Ausweg, ihre Instrumentes so zu bedienen, dass es berechtigte, von „perkussivem“ Einsatz zu sprechen.
Der Bandname bleibt ein Rätsel - und die Musik auch.
Und das spricht nun keineswegs gegen, sondern für sie. Was da alles drinsteckt, erschließt sich erst nach mehrmaligem Hören.
Na klar, das ist eine Binse; sie steckt in jeder zweiten Jazz-Rezension. Und sie ist ja auch nicht gänzlich falsch.
Hier aber bezeichnet sie die Hör-Arbeit, die einsetzt, wenn man das Album einmal en suite durchgehört hat. Und sich sich Stücke & Passagen vornimmt, die wieder und wieder gehört und vielleicht auch entschlüsselt sein wollen.
Man kann diese Aufgabe auch aus den sparsamen liner notes destillieren, wonach das Trio im November 2021 im Kölner Loft erstmals außerhalb des Proberaumes auf Notenpapier verzichtet hat, „to play these seemingly abstract compositions from memory“.
Eben. Das sind sie: abstrakte Kompositionen, für die sich so rasch keine Referenzen finden lassen; die einem auch nicht in bekannten Formen entgegenkommen.
So ergibt sich zum Beispiel in track 3, „of a balsam“, nach einer Pause eine gute, wundersame Minute lang eine Coda, in der man über die Taktlängen eines sehr langsamen Tempos staunt und nichts als eine - für den Hörer - irreguläre Abfolge von 5- und 4-schlägigen Takten wahrzunehmen meint.
Ja, es gibt durchaus beats in dieser oft frei-metrischen oder verschleierten Rhythmik, zum Beispiel einen aufgebrochenen 4/4-Takt in der Mitte des Nachfolgestückes „I am as shy as you are“. Das Rätsel hier aber liegt woanders: in einer fünftönigen Melodie, mit der der Schlagzeuger Leif Berger auf den toms eröffnet, und die durch das ganze Stück immer mal wieder aufscheint.
In „the bay is a continuum and change“ ist es ein 6-töniges Motiv, das auch verkürzt mehr versteckt als herausposaunt wird. Der Gestus ist ohnehin eher cool als expressiv. Wenn man Referenzen aufspüren will, dürfte man sie allenfalls bei Paul Bley (1932-2016) finden.
Dieses Trio stellt einen Kontrapunkt dar in der nicht durchgängig, aber doch zu weiten Teilen monochromen deutschen Jazzpianotrio-Landschaft. Und dabei ist nun wirklich nicht gedacht an den Synthesizer, den der Bandleader andernorts auch zu bedienen weiß.
Die Position hat es sich ausschließlich durch seine Texturen erarbeitet, (s)einen sehr spezifischen Umgang mit Formen.

erstellt: 07.09.23
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