MALCOM BRAFF inside *******
01. Crimson Waves (Braff, Emery), 02. Sexy M.F. (Prince), 03. Empathy for the Devil (Braff), 04. The Mirror, 05. Tied to Tide, 06. Mantra, 07. Berimbau (Baden Powell), 08. Dance of the Planets (Braff), 09. Dance of the Fireflies, 10. Yay!, 11. Dawn
Malcolm Braff - p, Reggie Washington - bg, Lukas Koenig - dr, Aurélie Emery - voc (1)
rec 04.-08.04.11
enja records ENJ-9573 2; LC 03126
Offen gestanden, wir hatten Malcolm Braff so nicht auf dem Monitor, sondern aus einem Radio-Mitschnitt (vielleicht mit seinem Yele-Trio?) eher als einen schaukeligen Pianeur in Erinnerung.
Diese Album nun führt in eine ganz andere Abteilung. Es macht auf mit einem Afro-Shuffle, bei dem die Stimmen in bester afrikanischer interlocking-Technik verknüpft werden. Braff führt eine Spielhand über präparierte Klaviersaiten, was Assoziationen zu dem ähnlich orientierten Benoit Delbecq wachruft. Obwohl Afro, ist der Groove ein anderer, und Braffs zweite Spielhand weiß nichts von Ligeti, wohl aber vieles von Abdullah Ibrahim.
Ja, der Eindruck verfestigt sich beim fortlaufenden Hören von „inside“ immer mehr: in diesem 1970 in Rio de Janeiro geborenen Sohn eines Missionars, aufgewachsen auf den Kapverden und im Senegal, der seit 1982 in der Schweiz lebt, hat die Tradition eines Abdullah Ibrahim - also ein blueshaftes, afro-orientiertes Jazzpiano - einen würdigen Aktualisierer gefunden.
Malcolm Braff verfügt in seiner gebrochenen Art über ein phänomenales timing, seine Handschrift besteht zu 90 % aus timing und offbeat-Phrasierung. Seine anti-virtuose Art setzt ihm Grenzen, es gelingt ihm z.B. weniger, ein Stück seines Landsmannes Baden Powell („Berimbau“) in sein Netz voller blue notes zu verfangen. Da gleitet er in der bridge des Stückes sogleich wieder in einen Piano-Plauderton.
Der Elchtest ist schon track 2, eine Transformation von Prince - und sie gelingt glänzend. Malcolm Braff tut einfach so, als sei es ein Stück von James Brown. Und dafür hat er eine kongeniale Rhythmusgruppe.
Wann hat man je einen europäischen Schlagzeuger so in der Spur von Bernard Purdie gehört wie Lukas König aus St. Pölten/Niederösterreich? Und Reggie Washington? Ja, das ist der Groovemeister aus den Bands von Steve Coleman, er ist jüngst in Brüssel ansässig und traf auf die beiden anderen 2010 bei einem Workshop in Linz.
In dieser Besetzung sind sie erstmals beim Festival in Cully angetreten.
Track 3, „Empathy for the Devil“, verbindet nichts mit den Rolling Stones, es ist ein düsterer, schwer wogender Shuffle im „Peter Gunn“-Fahrwasser: Braff trillert, dass es eine Pracht ist, Washington schaufelt von unten und König liefert schlaue rhythmische Umdeutungen.
In „Dance of the Fireflies“ greift das Trio den Gedanken noch einmal im Stile eines Shuffle-Marsches auf - der erstaunlicherweise in eine Choral-Coda mündet. Choral-Anklänge auch in „Tied to Tide“, einem von zwei Solo-Stücken Braffs. Was er spielt, ist simpel, es sind eher nocturnes; sein Plus ist sein Ausdruck, gespeist aus einer großen Ruhe, einzelnen Tönen und Akkorden nachzuhorchen.
Afro-Patterns erklingen desweiteren in „Mantra“ und „Yay!“, und insbesondere in letzterem mag man die Verwandtschaft zu Abdullah Ibrahim erkennen.
Eine Verwandtschaft, keine Kopie - dieses Trio ist, insbesondere dank seiner großartigen Rhythmusgruppe, hinlänglich von der Band des Südafrikaners unterschieden.
erstellt: 19.12.11
©Michael Rüsenberg, 2011. Alle Rechte vorbehalten