LIONEL LOUEKE Heritage *******

01. Ife (Loueke),02. Ouidah, 03. Tribal Dance (Glasper), 04. Hope (Loueke, Glasper), 05. Freedom Dance (Loueke), 06. Chardon, 07. Farafina, 08. African Ship, 09. Goree,  10. Bayyinah (Glasper)

Lionel Loueke - g, voc, Robert Glasper - keyb, Derick Hodge - b, bg, Mark Giuliana -  dr, Gretchen Parlato -  voc

rec. 2012 (?)

Blue Note 27742, 

 LC-Nr 0133

Lionel Loueke stammt aus Benin in Westafrika. In die Jazzwelt ist er vor allem durch Herbie Hancock gelangt. Daß der seine Mitspieler durch die Decke lobt, sind wir gewohnt, aber das große Bouhai stand nie so recht in einem Verhältnis zu seiner Leistung. Loueke, das war der Mann für ein nur vage bestimmbares „Exotisches“.
Das Bild koloriert sich mit diesem Album neu, Lionel Loueke schlägt einen völlig anderen Ton an. Nicht dass man den Titel „Heritage“ allzu ernst nehmen müsste, im Sinne einer ethnologischen Exkursion zu seinen Wurzeln. Die Zuordnung „World Jazz“ ist auch hier gegeben - aber in einem positiven, ja fast emphatischen Sinne.
cover loueke lionel heritageLoueke hat sich dafür mit einigen sehr basalen Jazz-Spielweisen vertraut gemacht, die der happy-go-lucky-Jazz sonst meidet. Und man darf davon ausgehen, dass dafür der Co-Produzent Robert Glasper verantwortlich zeichnet. Jawohl, vielen Stücken liegt eine Soul-Stimmung zu Grunde, mit der seit dem frühen George Duke kaum ein Jazzmusiker sein Material so ergreifend durchtränkt hat. Loueke/Glasper greifen aber auch über das ihnen Naheliegende hinaus. Sie nehmen Besitz von Errungenschaften der jüngeren Jazzgeschichte, sie verwenden Muster - große Überraschung! - des verqueren Funk a la M-BASE.
Das geht gleich los mit „Ifè“. Der spätere Afro-Funk von „Freedom Dance“ wird dadurch ganz anders nuanciert, und schleppende Funk-Patterns wie die von „Farafina“ und vor allem „African Ship“ hätte man in diesem Kontext nun gar nicht erwartet. Die Rhythmusgruppe Derrick Hodge/Mark Giuliana ist der superb. „African Ship“ und „Goree“ strotzen geradezu in einer atemberaubenden Melange aus Hancock & (Steve Coleman). Die Gitarren-Linien, oft mit Harmonizer angefettet (warum macht das heute kaum noch einer?), können so nur von einem Afrikaner gespielt werden.
Und dann setzt Glasper mit dem Bandwurm-Riff von „Bayyinah“ einen vamp oben drauf, wie ihn dieses Album ähnlich auch anderen Stellen bietet („Ouidah“, „Tribal Dance“). Das Thema, rubato und halb-Brasilianisch wie in „Ouidah“, führt zunächst in die Irre, nämlich in die Abteilung Schmuse-Jazz. Dann zappelt ein funk-pattern los, über das Loueke und Glasper in ihrem je eigenen Timing & Phrasierung improvisieren; Loueke auf der akustischen Gitarre, Glasper in der für ihn typischen Mischung aus scheinbar absichtslosem Perlen und Hancock-igen Akzentuierungen.
Dazu die Rhythmusgruppe: traumhaft! Die Coda im halben Tempo - viel zu kurz!
Das alles möchte man dringend auf einer Bühne erleben.

erstellt: 21.09.12
©Michael Rüsenberg, 2012. Alle Rechte vorbehalten