BENOIT DELBECQ and FRED HERSCH DOUBLE TRIO Fun House ********
01. Hushes (Delbecq), 02. Ronchamp, 03. Strange Loop, 04. Fun House, 05. Le Rayon Vert, 06. Night for Day, 07. One is several, 08. Tide (Delbecq, Argüelles), 09. Two Lakes (Delbecq), 10. Lonely Woman (Ornette Coleman)
Benoit Delbecq - p, Fred Hersch - p, Jean-Jacques Avenel - b, Mark Helias - b, Steve Argüelles - dr, live electronics, Gerry Hemingway - dr
rec. 08.+09.05.2012
Songlines SGL 1600-2, LC 13828
In Ensembles, in denen Instrumente mehrfach besetzt sind, wird meist der Platz eines jeden im Stereo-Panorama notiert. Das ist hier nicht der Fall, aus konzeptionellen Gründen kann darauf verzichtet werden, die Anmutung dieses Sextetts ist mehr oder weniger die eines Kollektivs.
Einzelne Ortungen sind selbstverständlich dank Erfahrung möglich. Wer also weiss, dass Benoit Delbecq zum Präparieren der Klaviersaiten neigt, oder nach Klangtransformationen durch die „live electronics“ von Steve Argüelles forscht, wird diese auch lokalisieren.
Aber, wer spielt das Bass-Intro in „Strange Loop“ (im Mittelteil des Titelstückes hört man beide im Duo)? Wer führt die Piano-Introduktionen hier oder dort? Selbst wenn man es wüsste, es trüge wenig zum Genuss dieses Unternehmens bei, denn das ist nun mal seinem kollektiven Gestus verdankt, dem Zurücktreten des Einzelnen gegenüber dem Gesamten.
Dabei ist dieses Gesamte keineswegs die Summe aller einzelnen Wünsche, Fred Hersch z.B., der große Balladenspieler, der große Thematiker, hat sich deutlich in einen Rahmen a la Delbecq gefügt, der für alle Stücke verantwortlich zeichnet. Und der seinem Neo Cool Jazz (mit Ligeti-Schlagseite) nun mal alles Narrative und Dynamische weitgehend ausgetrieben hat, zugunsten eines grossen Rubato, eines flächigen Ausdrucks mit changierenden Klangperlen.
Ein erster Gipfel dieser Haltung ist mit „Le Rayon Vert“ erreicht, von beiden Pianisten mit einem langen Intro eingeleitet.
Eine deutliche Abweichung dieser Linie findet sich in „Night for Day“: das Stück beginnt wirklich in time, mit einem 4/4 walking bass, beschleunigt später in double time, mit dynamischen Zuspitzungen, und wird von einem Thema a la Ornette Coleman getragen. (Dieses und andere Stücke kann man fragmentarisch in einem Video nachverfolgen.)
Es nimmt quasi das Finale vorweg, Ornette Coleman´s für jedweden Zugriff dankbares „Lonely Woman“, das sich bestens für eine rubato-Zerstreuung des Themas eignet und noch einmal alle Qualitäten dieses grossartig besetzten Doppeltrios herauskitzelt.
Man meint, ein Fender Rhodes Piano zu hören - und doch wird keines hier eingesetzt, einzige die präparierten Saiten von Delbecq lassen den Eindruck aufkommen, ergänzt um Argüelles´ äusserst sparsam dosierten Klangverwandlungen.
erstellt: 26.07.13
©Michael Rüsenberg, 2013. Alle Rechte vorbehalten