That´s Jazz? - That´s Feuilleton! (20)

Paul KuhnNichts gegen Paul Kuhn (1928-2013). Es gibt gute Gründe, ihn für witzig, schlagfertig, unterhaltsam oder gar „charismatisch“ zu halten, wie Kulturstaatssekretär Bernd Neumann  es tut.
Aber war der Mann, der uns Gassenhauer brachte wie „Es gibt kein Bier auf Hawaii“ auch „einer der besten Jazzpianisten Europas“?
Haben wir etwas überhört? Viel überhört? Vieles gar nicht bemerkt?
Ist uns allen Ernstes das „deutsche Jazz-Gewissen“ entgangen?
Das deutsche Qualitätsfeuilleton, jedenfalls das aus Frankfurt/Main und München, rühmt Kuhn mit diesen Attributen als einen der Großen, den wir in unserer kleinen Welt mit diesen Qualitäten gar nicht wahrgenommen haben.
Gibt es einen Jazz, der in der Szene selbst kaum bemerkt wird, im großen Rest der Gesellschaft aber Wellen schlägt?
Auffällig, dass die obigen Kuhn-Nachrufe von Autoren stammen, die bislang durch kontinuierliche Jazz-Beobachtung nicht aufgefallen sind.
Beide zitieren übereinstimmend Paul Kuhn als Empfänger eines Joachim-Ernst Berendt Preises - der gleichfalls in der Szene kaum bekannt ist. Kuhn bekam ihn anlässlich seines 85. Geburtstages im März 2013, obwohl nach seinen eigenen Worten Berendt ihn ignoriert habe. „Ich habe für ihn gar nicht existiert.“
Auch der erste JEB-Preisträger stand in der Werteskala des Jazzpapstes bekanntlich nicht on the top: Klaus Doldinger. (Die Ehrung, so hören wir, wird von der Stadt Baden-Baden vergeben und von der Witwe Berendt gebilligt; keine der Institutionen, denen JEB zu Lebzeiten verbunden war, wirkt daran mit.)
Paul Kuhn hatte ein Ohr hatte für derlei falschen Zungenschlag. Götz Alsmann beispielsweise ist ihm mit seinen Lobhudeleien, er sei für ihn mit seinen vielen Rollen ein Vorbild gewesen, „schon fast unangenehm“ aufgefallen: „Wobei man sagen muss, dass der eigentlich kein reiner Jazzmusiker ist.“
Paul Kuhn zeigte klare Kante, oder nicht?
„Den Free Jazz habe ich ja sowieso gefressen. Weil es kaum Leute gibt, die das wirklich können. Ich kenne gar keinen. Das ist sehr wenig, oder?“

Ja, das ist sehr wenig.

erstellt: 24.09.13
©Michael Rüsenberg, 2013. Alle Rechte vorbehalten