PETTER ELDH Projekt Drums Volume 1 *********
01. Lorimer (Eldh)
Savannah Harris - dr, Johannes Lauer - tb, Jonas Kullhammar - fl, piccfl, Per “Texas” Johansson - fl, Otis Sandsjö - cl, Petter Eldh - synth, b, p
02. Hawk Mountain
Eric Harland - dr, David Byrd-Marrow - frh, Wanja Slavin - as, fl, Kit Downes - p, Petter Eldh - b, bg, Guitars, synth, ep
03. Goods Yard
Richard Spaven - dr, Niels Broos - keyb, ep, Jonas Kullhammar - fl, Per “Texas” Johansson - fl, Petter Eldh - bg, synth
04. Green Street (Eldh, Sandsjö)
Nate Wood - dr, Otis Sandsjö - ts, Wanja Slavin - fl, piccfl, Petter Eldh - synth, g, ep, bg
05. Gimsøy (Eldh)
Gard Nilssen - dr, Mascha Juno aka Maria Schneider - mar, vib, perc, Kathrin Pechlof - harp, Petter Eldh - a-g, synth, b, e-g, bg
06. East Croydon
James Maddren - dr, Reinier Baas - g, Petter Eldh - bg, synth, g, ep, b
rec. 2019, 2020
Edition Records EDN1173
Als Petter Eldh gegen 2008 auf die Szene trat, namentlich im Beloved Bird Trio von Django Bates, da hatten wir nicht einfach einen neuen, agilen, jungen Kontrabassisten vor uns, sondern einen Basswerker. Einen Puristen, der mitunter das Hilfsmittel der allermeisten seiner Kollegen verschmäht, nämlich ein pickup oder wenigens ein im Instrument befestigtes Mikrofon, damit er akustisch nicht untergeht.
Der Mann aus Göteborg zupfte, nein häufig riss er die Saiten so kraftvoll, dass ihm ein vor dem Instrument platziertes Mikrofon reichte, um nicht nur nicht unterzugehen, sondern auch auf diese Weise sein Talent herauszustellen.
Die Rolle als Basswerker hätte ihn bis ans Lebensende ausfüllen können, als eine Art Nils-Henning Ørsted-Pedersen für die jüngeren Stände. Denn die Jobs mehrten sich: Marius Neset, Kit Downes, Lucia Cadotsch Speak Low, Christian Lillinger, Kaja Draksler, Jonas Burgwinkel, Peter Evans und immer wieder Django Bates mit seinem immer weiter von Charlie Parker abrückenden Trio.
Niemand hatte ahnen können (vielleicht auch er selbst nicht), dass er gut ein Dutzend Jahre später in einer weiteren Rolle brilliert, für die es im Lager seiner Bass-Kollegen kein Modell gibt. In der Rolle des Produzenten (was viel zu unbestimmt klingt). In der Rolle des Studio-Wizzard (zugegeben, ein altbackener Begriff, denn „Studio“ konzentriert sich materiell nicht nur in seinem Falle meist auf einen Monitor).
Computer-Nerd, Nerd generell, trifft seine Tätigkeiten schon eher; klingt aber zu technizistisch, denn ob Petter Eldh wirklich einen guten „Tonmeister“ abgibt, steht dahin.
Ist aber auch gar nicht relevant. Denn sein technischer Zugriff auf die Prozesse ist eminent musikalisch. Mehr noch: er ist Stil bildend. Petter Eldh verändert den Jazz. Er tut dies mit ähnlichem Gerät, aber weitaus tiefgreifender als die US-Kasperlefiguren, die in diesem Zusammenhang ehrfürchtig genannt werden.
Petter Eldh, der Basswerker, ist noch präsent auf „Projekt Drums Volume 1“, aber verschwindet in den Strukturen dieser Produktion, die noch beschrieben sein wollen. Und die doch sein Werk sind.
Die Entwicklung kulminiert hier einstweilen, aber sie kommt doch nicht völlig überraschend. Es gab erste Zeichen: 2014 remixt er zwei tracks des Albums „Ornithophobia“ des britischen Trios Troyka, ein Jahr später wird er in gleicher Funktion für Jonas Burgwinkel tätig.
Wie gesagt, in „Projekt Drums Volume 1“ kulminiert diese Entwicklung in beinahe allen Parametern: seien sie ästhetischer oder produktionstechnischer Natur. Produktionszeit sind die Jahre 2019 und 2020, die Produktionsorte liegen sowohl in Europa als auch in Amerika. Die wenigsten der Beteiligten haben so im Studio zusammen gestanden, wie wir sie jetzt hören.
Es ist ein Triumpf der Post-Production.
„Projekt Drums Volume 1“ ist, schon ausweislich des Titels, eine Hommage an Schlagzeuger. Mit manchen konnte man ihn schon hören, mit dem Briten James Maddren im Trio Enemy, mit dem Norweger Gard Nilssen (bei Marius Neset), mit dem Briten Richard Spaven (für Jazzohren schon entfernter) bei Jameszoo.
In der Auswahl fehlen die, die man am ehesten erwartet hätte, zwei langjährige Partner: Anton Eger und Christian Lillinger. Aber, dies ist ja Vol 1, also der Auftakt einer Serie.
Andererseits finden wir auch vertrautes Eldh-Personal: Wanja Slavin und Otis Sandsjö aus Berlin, Kit Downes aus London sowie Jonas Kullhammar, einen der Bläser aus Koma Saxo.
Ein Projekt für Schlagzeuger heisst: sie herausstellen. Auf eine Faustformel gebracht und deshalb sowieso unterkomplex zur Kennzeichnung des gesamten Albums: „Projekt Drums Volume 1“ ist ein einziges drum-solo gegen riff.
Riffs oder auch vamps waren immer schon prägende Bestandteile im Portfolio des aus Göteborg stammenden, in Berlin lebenden Bassisten. Hier wuchern sie zu einer eigenen Kultur.
Natürlich, Kinderlied-artige Melodik, das andere prägende Element, ist hier ebenfalls präsent. Aber es fällt schwer, von Komposition, auch von Jazz-Komposition zu sprechen. „Projekt Drums Volume 1“ folgt eher der Additions- und Subtraktions-Ästhetik des Techno.
Petter Eldh arbeitet mit kleinzelligen Motiven, dreht sie, wendet sie, kontrastiert sie, lässt sie verschwinden, spiegelt sie in anderer Instrumentierung - kein Stück gehorcht derselben Form. Sie sind in Blöcken organisiert.
Wenn man das einmal erkannt hat, ist man dankbar, vom Komponisten/Produzenten in den Begleitpapieren zur CD eine Bestätigung für diesen Eindruck zu finden:
"Komponisten wie Hermeto Pascoal machten mir klar, wie wichtig es ist, starke melodische Fragmente (hooks) aus längeren melodischen Strukturen abzuleiten.“
Nun, das ließe sich auch mit anderen als den hier eingesetzten Mitteln realisieren. Entscheidend ist hier der Mix aus elektronischen und analogen Klangfarben. Auch dafür nennt Eldh eine Referenz:
"Außerdem waren Jameszoo und Daedelus eine große Inspiration, was die Produktion der Platte angeht. Jameszoo hat eine Art, Elemente zu kombinieren, elektronische Klänge mit akustischen Quellen zu vermischen, was eine Rolle dabei spielt, wie ich Musik höre und wie ich mir vorstelle, wie sich ein Arrangement entwickeln kann“.
Das Panorama ist groß; sozusagen die beiden Enden der Fahnenstange liegen eng beieinander: die tracks 4 und 5.
Die Bruch-Ästhetik in 4 („Green Street“ mit Nate Wood) zeigt sich in zwei kontrastierenden Themen: einmal tyische Eldh-Melodik gegen einen von harten break beats unterlegten Teil. Es ist eine Ästhetik der harten Schnitte mit großen Anteil elektronischer Klangfarben.
„Gimsøy“ hingegen, mit Gard Nilssen wirkt wie eine Neuauflage der „falschen“ Exotik eines Martin Denny (1911-20105). Es dominieren die beiden Musikerinnen Maria Schneider und Kathrin Pechlof; die klar definierten Tonhöhen ihrer Instrumente (hauptsächlich Marimba und Harfe) werden durch absaufende keyboard-Flächen in Frage gestellt.
Letzteres kennen wir von Eldh´s großem Lehrmeister Django Bates, und die Echolette-Sounds der Gitarre (gespielt von Eldh) wie auch die Keyboard-Fetzen sind aus seiner Produktion mit Anton Eger vertraut.
Überhaupt kann das Album „AE“ (2019) wie ein Vor-Echo auf diese Produktion gehört werden.
Der dortige keyboard-Spezialist Niels Broos wirkt an „Goods Yard“ mit. Dieser track ist - trotz etlicher offbeats - mit seinen 4/4 rhythmisch noch das leichteste Unternehmen des Projektes. In den meisten anderen überschlagen sich Polythythmen und break beats.
Ein erster Höhepunkt ist track 2, „Hawk Mountain“ mit Eric Harland. Flöten sind präsent, wie überhaupt in den ersten vier Stücken, aber es dominiert eine Art Morse-Melodik durch das Horn von David Byrd-Marrow sowie dessen elektronische Spiegelung durch die entsprechenden Klangfarben von Eldh´s Synthesizer.
Um 2:28 ein Bruch durch ein wundervolles Altsax-Solo von Wanja Slavin, nach einem Bläser-Zwischenspiel ergänzt durch ein Piano-Solo von Kit Downes. „Projekt Drums Volume 1“ hat hier seine jazzigsten Momente. Und wohl auch deshalb hört auf dem Groovewechsel am Schluß seiner kurzen Intervention, ganz oben auf, sein Piano-staccato als ein Zitat von „Salt Peatnuts“ (Dizzy Gillespie) nebst Variationen.
Es bleibt nicht das einzige Zitat: die „Bläser“ folgen majestätisch mit einer Linie, die ein paar Noten mit Beethovens „Ode an die Freude“ teilt.
Viel Zeit lässt ihnen der überaus geschäftige Eric Harland nicht, er trommelt gegen eine ganze Kette von vamps!
Aber, wie gesagt, geschäftigt sind sie alle, das ist der Job der Schlagzeuger in diesem Feuerwerk sich überstürzender Momente. Nur, und das ist seltsam: sie klingen alle recht ähnlich (bis auf Gard Nilssen).
Wer Unterschiede erkennt, muss ein krasser drum-Nerd sein!
erstellt: 16.08.21
©Michael Rüsenberg, 2021. Alle Rechte vorbehalten