TROYKA Ornithophobia ********
01. Arcades (Montague, Downes), 02. Life Was Transient (Petter Eldh), 03. Ornithophobia (Montague), 04. Magpies, 05.Thopter (Joshua Blackmore), 06. Bamburgh (Montague), 07. The General (Kit Downes), 08. Troyka Smash (Petter Eldh), 09. Seahouses (Montague)
Chris Montague - g, Kit Downes - keyb, org, tuned perc, p, Joshua Blackmore - dr, electr dr
Petter Eld - prod
rec. ?
Naim Audio 210, LC 00794
Ein Schelm, dem hier nicht große Teile des britischen Art Rock vor Ohren vorüberziehen: von Egg bis National Health, von Gentle Giant bis Yes.
Ja, selbst da, wo sie aus diesem Rahmen fallen, in „The General“, schließen sie an andere große Zeiten an: sie führen ein ausnahmsweise bluesig geführtes Riff-Thema accelerando mit einem Groove a la Hendrix Band Of Gypsys aus der Manege.
Auch die Webseite des Labels kokettiert mit der Fülle dieser Anspielungen (nennt aber andere Referenzen). Aber wetten, wenn wir den netten Kit Downes danach fragen, dann hat er von alledem nix gehört.
Egal, Troyka aus London. Der Erstling 2008 war ein guter Wurf, der Nachfolger „Moxxy“ (2012) ein leichter Rückschlag, das großformatige „Troykestra“ (2013) eine schöne Zwischenmeldung, aber in der Hauptsache haben die drei jetzt einen wirklich großen Wurf gelandet.
Ostinati, riffs, vamps bis zum Abwinken, klug gedrechselte Themen, Kontraste, Tempowechsel, groove switching, Polyrhythmmik, Klangfarbenzauber, Detailreichtum - keiner hat derzeit solche bunten Pfeile im Köcher.
Freunde des Canterbury Sound (wie immer man den definiert, die Hörapparate werden die Signale schon decodieren) kommen auf ihre Kosten.
Dabei fallen Troyka nicht mit der Tür ins Haus, im opener öffnen sie dezent die Trickiste: Tempowechsel, ein vamp mit offbeats, vieles in 4/4, darunter ein Shuffle, das Schlussriff dann, ein Knaller, als säße John Bonham (1948-1980) bei National Health am Schlagzeug.
Dann folgt „Life was transient“, eine Offenbarung, eine Zeitrakete vom Canterbury-Sound der 7oer zu den cutup-Techniken der Gegenwart, dem Vernehmen nach vom Komponisten Petter Eldh (Django Bates, Marius Neset) in Berlin remixed.
Das Stück wird eingeshufflet mit breitesten Dave Stewart-Akkorden und entfaltet in nuce, in knapp viereinhalb Minuten, das gesamte Arsenal dieses Projektes.
Warum diese hochfahrenden Komplexitäten nicht in sich zusammenfallen?
Weil Eldh, mehr noch als auf seiner eigenen EP „Love declared desaster averted“ (2014) an Grooves zündelt und noch die abartigsten Polyrhythmen grooven lässt wie jeck.
Aufnahme- und Produktionstechnik tun ihr übriges, den Pegeldruck bis zum Anschlag auszureizen, z.B. in Joshua Blackmore´s riff-Hammerwerk „Magpies“, sounds like Gentle Giant meet National Health powered by Bruford.
Oder die stilistischen Reißschwenks in „Thopter“, die einem John Zorn alle Ehre machen, allerdings komplett in Brittania verweilen. Und, so hat´s bei Zorn noch nie gegroovt.
Ja, das muss man mögen, wer sich auch Musik gern linear-narrativ darbieten lässt, dem wird der Schreck in die Glieder fahren.
Ja, möglicherweise lässt sich das alles live nicht so darbieten (ganz am Rande, „Bitches Brew“ auch nicht).
Aber „Ornithphobia“ (die Angst vor Vögeln) demonstriert eben auch, was Pop alles ermöglicht - wenn sich Jazzmusiker darum kümmern.
erstellt: 22.02.15
©Michael Rüsenberg, 2015. Alle Rechte vorbehalten