JOHN TAYLOR, MARC JOHSON, JOEY BARON Tramonto *********
01. Pure and simple (John Taylor), 02. Between Moons, 03. Up too late (Steve Swallow), 04. Tramonto (Ralph Towner), 05. Ambleside (John Taylor)
John Taylor - p, Marc Johnson - b, Joey Baron - dr
rec. 01/2002
ECM 2544
Seine Reputation war offenkundig so groß, dass das britsche Arts Council John Taylor (1942-2015) schon Monate vor seinem sechzigsten Geburtstag auf eine den Anlass feiernde Tournee schickte.
Bei dieser Gelegenheit ist im Januar 2002 im CBSO Centre Birmingham dieses Konzert mitgeschnitten worden, das erst jetzt, im Abstand von bald 25 Jahren, veröffentlicht wird.
Das Programm dort (jedenfalls mit den Ausschnitten, die jetzt bekannt werden) ist nur in zwei Stücken („Between Moons“, „Tramonto“) identisch mit dem gefeierten Studioalbum „Rosslyn“, das drei Monate später in Oslo entsteht.
Der britische Pianist stellt ein neues Trio mit einer amerikanischen Rhythmusgruppe vor.
Beide Alben sind staunenswert.Taylor eröffnet das Konzert mit einem Stück, das man geradezu als sein signature tune bezeichnen kann: „Pure and simple“.
1992 hat er esbei Peter Erskine „You never know“) etabliert, Jahre später jubelt JC über eine ganz andere Trio-Fassung (u.a. mit Hayden Chisholm) nämlich die darin zum Ausdruck kommende „große Kunst, auf einem gemäßigten Tempo mit Motiven zu jonglieren, sie zu dehnen, zu raffen, zu drehen“.
Es sind, darf man heute mit Freude ergänzen, kantable, sehr sangliche Muster, die er mit jazz-typischen Formalien anreichert: double time (durchaus nicht von allen vollzogen, was die Spannung steigert) und tradin´ fours, den Wechsel der solistischen Führung nach jeweils vier Takten.
Joey Baron brilliert hier mit kurzen Einwürfen, später, in Steve Swallows „Up too late“, bekommt er sehr viel mehr Raum, um seine sehr spezifische Kunst auszubreiten: nämlich ein Schlagzeugsolo strukturell so zu gestalten, das es nun wirklich ein jeder nachvollziehen kann. Hier mit Betonung der snare, einer ungewöhnlich gut klingenden snare.
Überhaupt ist die facettenreiche Gestaltung und das Ausbrechen aus dem medium swing von „Up too late“ der reinste Genuß. Marc Johnson streicht seinen Kontrabaß wimmernd über dem Taylor´schen Piano hoch, als ahmte er ein Theremin nach (später noch einmal in „Ambleside“). Er beherrscht seine Rolle brillant.
Nämliches lässt sich über „Ambleside“ sagen, was für ein interplay zwischen den beiden Melodie-Instrumenten!
Es ist eine quasi zeitlose Eleganz. Die in einer eher lyrischen Variante ausformuliert wird in den „geraden“ tracks, „Between Moons“ von Taylor selbst und dem ewig poetischen „Tramonto“ von Ralph Towner.
Wer in der von zentrifugalen Kräften bestimmten Jazzwelt ganz schnell, ohne große Eklärungen eine sinnliche, eine klingende Antwort auf die Frage sucht „Was ist Jazz?“, der sollte dieses Album auf die Liste der Kandidaten setzen.
Es wird auch, wenn denn nach dem Hören wieder Zeit dafür ist, die dann folgenden Erklärungen bestehen.
erstellt: 24.09.25
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