MAGNUS SCHRIEFL BLUME - Blumen, Berlin, Bettina ******
01. Johnny Whistleblower (Magnus Schriefl), 02. Hiassl im Himmel, 03. Blumen Berlin Bettina, 04. Band Love Aggression, 05. Coffee and Red Wine, 06. Meret's Magic Moves, 07. Suche, 08. Mandihiza Rahitsikitsika (trad), 09. One for Jobim (Magnus Schriefl), 10. You forget me I remember
Magnus Schriefl - tp, flh, Ben Kraef - ts, Sebastian Böhlen - g, Matthias Pichler - b, Fabian Rösch - dr
rec. 29.+30.11.23
Unit Records UTR 5215
Magnus Schriefl, 42, ist der zwei Jahre jüngere Bruder von Matthias Schriefl.
Beide spielen Trompete (und Flügelhorn), beide kommen aus dem Allgäu (was der jüngere nicht ostentativ ausstellt; der möglicherweise einzige landsmannschaftliche Hinweis zeigt sich im folkloristischen Thema von „Hiassl im Himmel“).
Er lebt in Berlin. Wie heute unter JazzmusikerInnen Standard, hat er transatlantisch studiert, internationale Erfahrungen (u.a. mit Hermeto Pascoal)
Er hat technisch was drauf, z.B. multiphonics im Intro von „Coffee and Red Wine“.
Er harmoniert recht gut mit dem Tenoristen Ben Kraef, der uns schon vor Jahren aufgefallen ist; unisono und in kontrapunktischen Umspielungen.
Blume heisst sein Quintett, „Blumen Berlin Bettina“ das zweite Album des Ensembles (das siebte von diesem MS ingesamt); was jenseits der assoziativen Alliteration den Ausschlag für den Titel gegeben haben könnte, bleibt unerörtert - ist aber auch unerheblich.Das Album nimmt sogleich mit dem ersten track für sich ein, man könnte auch sagen: es fällt mit der Tür ins Haus. Da setzt „Johnny Whistleblower“ sein Instrument so pfiffig ein, dass seine Botschaft einen fast umhaut.
Es wechseln die Stile, die Tempi, die Grooves, dass es wohl den später folgenden „Hiassl im Himmel“ von Wolke 7 herunterhören lässt.
„Johnny Whistleblower“ ist eine tour de force durch zwei Stile: Cool und Neobop.
Dass die beiden sich eher durch Temperament denn durch Struktur unterscheiden, wird hier leichthändig demonstriert: das Thema wird eher cool vorgetragen, rollt leicht nach „vorne“ (accelerando) und zurück (ritardando), kommt in höherem Tempo als Bebop-artige Variante wieder.
Es wechseln Tempi & Grooves, das Ensemble ist gut eingespurt, die Bläser & die Gitarre bestens beieinander.
Dieser Einstieg ist das reine Vergnügen.
In etwas reduziertem Format taucht dieser Aufbau später wieder auf, in „Band Love Aggression“ (die Bläser betreiben hier tradin´ fours) sowie in „Meret´s Magic Moves“ (mit kontrapunktischen Umspielungen der Bläser).
Den langsamen Shuffle „Coffee and Red Wine“ leitet Schriefl mit multiphonics auf der Trompete ein. Man nimmt hier dankbar das rhythmisch strengere Korsett zur Kenntnis, nachdem die Band zuvor im Titelstück mit seinen eher rubato-Bewegungen mehr oder weniger herumgeschlingert war. Balladen sind nicht ganz so ihr Ding, forcierte Rhythmik schon viel eher.
„Mandihiza Rahitsikitsika“ aus Madagaskar ist in einem Calypso-artigen Rahmen viel besser aufgehängt, hier brilliert vor allem Ben Kraef. Der Tribut „One for Jobim“ bewegt sich natürlich als Bossa Nova.
Und was es mit dem Abschluss auf sich hat, lasst sich schon sprachlich erahnen: „You forget me I remember“.
Ein Schelm, der dabei nicht an „I remember you“ denkt. Zwar sind Victor Scherzinger & Johnny Mercer als Urheber nicht genannt - das Stück ist aber nichts anderes als ein remake des Standards von 1942.
Es wäre ein „akademischer“ Streit, ob die beiden nicht angeführt werden müssten.
Wie die Berliner aber mit der Vorlage umgehen, mit welcher Nonchalance & Brillianz, lässt sich in kölscher Unbekümmertheit treffend mit einem Zitat von Willy Millowitsch charakterisieren:
„Lieber gut geklaut wie schlecht was Neues!“
erstellt: 17.09.25
©Michael Rüsenberg, 2025. Alle Rechte vorbehalten