Barbara Thompson, 1944-2022

Cleo Laine und John Dankworth, Kate und Mike Westbrook, Julie und Keith Tippett, Norma Winstone und John Taylor, Barbara Thompson und Jon Hiseman, unter den Jüngeren Laura Jurd und Elliot Galvin - sogleich wollen einem Ehepaare einfallen, die in der britischen Jazzwelt häufiger als in anderen Szenen anzutreffen sind.
(Unser guter Freund Oliver Weindling, The Vortex, London, wüsste die Liste uferlos zu erweitern...)
Sie alle zeichnet aus, dass sie auch als Künstler gemeinsam auftr(a)eten und nicht (wie Leni und Mike Stern) in dieser Eigenschaft getrennte Wege gehen.
Im Falle Thompson und Hiseman geschah dies früh, aber nicht von Anfang an (an den ersten beiden Colosseum-Alben wirkte sie nur im Studio mit, viele Jahre später auch live).
BT Martyn Goddard CLR439 1400x1400Nach einer Babypause, 1975, nahm dann er Platz bei ihr, bei Barbara Thompsons Paraphernalia und beide zusammen für lange Jahre im United Jazz + Rock Orchestra. Unvergesslich der Stolz der reihum ansagenden Herren, Soli ihrer blonden Saxophonistin absagen zu dürfen.
Thompson stammt aus Oxford, studierte in London am Royal College of Music zunächst Flöte, Piano und klassische Komposition, stieß dann aber - typischer Schritt ihrer Generation - über Duke Ellington und John Coltrane zu Jazz und Saxophon.
Sie war eine ausgesprochene Melodikerin, insbesondere auf dem Sopransaxophon, mit einer Tendenz zur Findung eingängiger Themen. Vielleicht auch deshalb konnte sie mit Andrew Llyod-Webber an mehreren Musicals mitwirken. Nicht zu vergessen ihre klassischen Kompositionen sowie Musiken für TV und Film.
Sie war ein künstlerisches Rollenmodell ganz gewiß - wohl aber auch für die Heilkraft moderner Medizin. 1997 wurde bei ihr Parkinson diagnostiziert, 2001 zog sie sich deshalb von der Bühne zurück, 2005 glückte ihr dank eines neuen Medikamentes die Rückkehr dorthin.
Unvergessen 2012 das Bild aus einer BBC-Dokumentation über ihre Erkrankung: Routineuntersuchung im einem Krankenhaus, an ihrer Seite Jon Hiseman, der offenkundig gesündere.
2018 stirbt er, der ewig agil scheinende, an einem Gehirntumor, 4 Jahre vor ihr.
Barbara Gracey Thompson, geboren am 27. Juli 1944 in Oxford, MBE (Member of the Order of the British Empire), starb am 9. Juli 2022, wenige Wochen vor ihrem 78. Geburtstag.
In einer rührenden Abschiedsnote führt Tochter Ana Gracey, 47, die beiden Eltern zusammen:
„Meine Mutter hatte einen außergewöhnlichen Geist - sie hat nie aufgegeben, aber ihr Körper hat sie schließlich im Stich gelassen, nachdem sie 25 Jahre lang tapfer gegen die Parkinson-Krankheit gekämpft hatte und es gegen Ende Komplikationen mit ihrem Herzen gab. Wir hoffen von Herzen, dass sie und unser Vater wieder zueinander gefunden haben."

Foto:   Martyn Goddard, temple-music.com
erstellt: 11.07.22, ergänzt: 26.07.2022
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