JON HERINGTON Pulse and Cadence
(The complete Rhyming Dictionary)
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01. Kernel of Truth/Major Tom (Herington), 02. City of Lights/Paris on Mine, 03. Hope and Woe/Whoopee Tie O, 04.Panacea/ Mike & The Captain 05. Twisted Logic/Cottleston Pie, 06. Double Bind/ Behind the Mask, 07. Blackthorn Grove/Light at North Truro, 08. Roll on/The Hudson was Blue

Jon Herington - g, mand; Jim Beard - keyb, Victor Bailey - bg, Ralph Bowen - ss, as, ts; Michael Mossman - tb, tp; Leno Gomez - fl, cl, bcl; Arto Tuncboyacian - perc, voc; Peter Erskine - dr

rec 21.06.-03.07.1992
ESC Records ESC 03726-2; LC-Nr 01263

Jon Herington? Ja bitte; gerne erinnern wir uns an das sporadische Erscheinen dieses Gitarristen in den 90ern: von Michael Breckers "Now you see it - now you don´t" bis Steely Dans "Two against Nature" (später auch "Everything must go"), darunter Performances bei Bob Berg und vor allem: Jim Beard.
Mit letzterem teilt er eine Vorliebe für sehr un-jazzige Themen, lange Notenwerte, die sich aufrichten aus dem Hauptstrom, in dem er mitschwimmt -
Jazzrock.
Nicht zu vergessen sein fabelhaftes, farbenreiches Album "The complete Rhyming Dictionary", 1993 in Japan erschienen, abseits der Aufmerksamkeit, die ihm gebührt.
Seltsam nur - die ersten Töne von "Pulse and Cadence" kommen unsereins vertraut vor: diese klare, scharfe Gitarrenstimme, der die Plattenfirma zurecht Verwandtschaften zu
Robben Ford und Larry Carlton abgelauscht hat; der quasi indianische Perkussionsrhyhtmus; die Stimmführung des Themas durch Gitarre, Keyboards und Stimme; und nicht zuletzt die gewagten fill ins von Peter Erskine, die scheinbar unbeholfen den Raum zur nächsten Zahlzeit "Eins" auffüllen. Das hatten wir doch schon mal!
Das alte Album ist schnell aus dem Regal gezogen - und höre: "Kernel of Trut" ist nichts anderes als "Major Tom" 1992! Ein rasches Durchzappen ergibt, dass zwar die Kompositionstitel differieren, aber die Zeiten alle identisch sind - man hat uns alten Wein in neuen Schläuchen verkauft, "Pulse and Cadence" ist nicht anderes als eine Ton-für-Ton-Kopie von "The complete Rhyming Dictionary"!
Muß man darüber Klage führen? Mitnichten, es ist geradezu verdienstvoll, diese schöne Produktion wiederzuveröffentlichen; es ist eine Freude, einen Musiker wieder ein wenig mehr ins Licht geführt zu sehen, der weniger als Gitarrist denn als Komponist Bestand haben wird. (Es gibt Produktionen, z.B.
Randy Breckers "Toe to Toe" 1989 oder Dennis Chambers "Getting Even" 1991, wo nur seine Stücke verwendet werden.)
Nirgenwo aber verschmelzen seine beiden Rollen so gekonnt wie 1992 auf diesem kleinen Meisterwerk abseits des Jazzrock-Mainstream.
"Hope and Woe/Whoopee Tie O" dürfte mit seinem mehrfach modulierten Thema eines der blues-fernsten
Blues-Stücke sein, die je in diesem Genre entstanden sind. Herington hat ein Gespür für Dramatik: "City of Lights/Paris on Mine" und "Double Bind/ Behind the Mask" leben von geschickt gesetzten Kontrasten sowie von einer Kraft, die aus timing und Klangfarben von Jeff Beck stammen.
Dies gilt in geradezu expontentiellem Maße für "Roll on/The Hudson was Blue": Herington umspielt das hymnische feeling der Bläser (und seiner Mandoline) in einer Bluesfärbung a la
Michael Bloomfield, um dann bei 3:11 völlig unerwartet einen metallischen Handkantenschlag Beck´scher Provenienz draufzusetzen.
Ein Stück, ein Album, das sich als feines Gegengift empfiehlt, wenn mal wieder die üblichen Stimmen vom tumben, frühzeitig ausgebranten Genre des Jazzrock zu faseln beginnen...

erstellt: 19.07.08

©Michael Rüsenberg, 2008. Alle Rechte vorbehalten